Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkel ist die Zukunft

Dunkel ist die Zukunft

Titel: Dunkel ist die Zukunft
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
dessen Ende das riesige Hangartor lag, war mehrere Meilen lang, und er führte praktisch nirgendwohin, außer zu einer kleinen, kahlen Ebene. Aber sie mußte in die entgegengesetzte Richtung, nach Süden, über den Rücken des Berges hinweg, unter dem sich die Bunkerstation befand. Und jetzt wünschte sie sich fast, es nicht getan zu haben. Fassungslos starrte Charity auf das Land, das sich im letzten Tageslicht unter ihr ausbreitete. Früher, vor ein paar Ewigkeiten, war diese Gegend eine der fruchtbarsten der Vereinigten Staaten gewesen, aber jetzt ... Sie hatte alle denkbaren Möglichkeiten durchgespielt, hatte auch an eine radioaktiv verstrahlte Kraterlandschaft gedacht, aber diese  trostlose, braune Ebene, die sich ohne Unterbrechung bis zum Horizont erstreckte, hatte sie sich nicht vorstellen können. Auf dieser verbrannten Erde wuchs nichts mehr; hier und da entdeckte sie häßliche, schwarze Flecken, wo die Erde zu Glas geworden und anschließend geborsten war. Obwohl es bereits dunkelte und die Temperaturen rasch fielen — es mußte Herbst sein, dachte sie automatisch, vielleicht sogar schon Winter —, spürte sie die Hitze, die tagsüber dieses Land zu einem Glutofen machte. Großer Gott, was war hier passiert?!
    Und plötzlich erinnerte sie sich. An das weißblaue Sonnenfeuer, das immer und immer wieder im Norden aufgeflammt war, an das Grollen und Zittern der Erde, den Brandgeruch, der in der Luft gehangen hatte, und an die brodelnden Pilze aus Flammen und Glut, die die Nacht verschlungen hatten. Mit einiger Verspätung und einem gehörigen Schrecken kam sie auf die Idee, auf ihren Geigerzähler zu sehen. Die Nadel schlug ganz leicht aus; die Radioaktivität war erhöht, aber sie lag nicht im gefährlichen Bereich. Entweder waren die Bomben sehr viel weiter im Norden gefallen, als sie angenommen hatte — oder es war alles sehr lange her. Sie steckte den Geigerzähler wieder ein, drehte sich einmal im Kreis und beschloß, den Weg weiterzugehen, den sie einmal eingeschlagen hatte. Die Berge sahen aus, wie sie seit zwei- oder dreihundert Millionen Jahren aussahen, aber aufs Geratewohl einfach ins Gebirge hineinzumarschieren, erschien ihr wenig sinnvoll. Charity hatte noch nicht einmal zwei Schritte gemacht, als sie das Feuer sah. Es brannte auf halber Höhe des Berges, nicht sehr weit vom ehemaligen Bunkereingang entfernt. Sie erkannte plötzlich das grelle Licht von Scheinwerfern; drei, vier, dann fünf, die eine Weile wie betrunkene Leuchtkäfer um das Feuer herumtanzten und dann den Berg hinunterzutorkeln begannen. Es gab also noch Leben hier. Jemand oder etwas, der jemanden oder etwas suchte, dacht Charity spöttisch. Eine wahrhaft umfassende Lagebeschreibung; aber die einzige, die sie hatte. Seufzend setzte sie sich in Bewegung. Der Weg den Berg hinauf war schwierig. Sie spürte das Gewicht ihrer Ausrüstung und geriet bald außer Atem. Sie war noch lange nicht wieder in Form. Es wurde dunkel, lange bevor sie das Feuer erreichte, und es war seine sehr sonderbare Nacht: anders als alle, die  Charity zuvor erlebt hatte. Der Himmel war unheimlich klar, und die Sterne strahlten ihr fahles Licht auf die Erde herab. Es war sehr still, als wäre alles Leben aus diesem Teil der Berge geflohen. Sie begann sich vorsichtiger zu bewegen, als sie dem Feuer näher kam. Der Wind trug Stimmen zu ihr heran; also mußten auf dieser öden Welt noch Menschen leben. Trotzdem blieb sie schließlich stehen, sah sich einen Moment suchend um und wich dann vom Weg ab, um sich dem Lager von der Seite her zu nähern. Vorsichtig schlich sie an die Feuerstelle heran. Vor ihr war ein wildes Handgemenge im Gange. Charity konnte im flackernden Licht der Flammen nicht allzuviel erkennen, aber es schienen drei zu sein - zwei Gestalten in eng anliegenden, schwarzen Ledermonturen, die eine junge Frau gepackt hielten und wütend auf sie einredeten. Eine dritte Ledergestalt lag reglos ein paar Meter daneben. Charity entsicherte ihre Waffe und sah sich noch einmal um. Was sie erkannte, war derartig bizarr, daß sie sich im ersten Moment ernsthaft fragte, ob sie vielleicht noch träumte. Die beiden Ledergestalten sahen aus wie die Urenkel von Mad Max. Ihre Kleidung war zerfetzt und mit kleinen Fell- und Metallstücken ausgebessert worden, ihre Gesichter verbargen sie unter Lederhelmen, unter denen sie obendrein noch schwarze Masken trugen. Wie um das Bild zu vervollständigen, standen auf der anderen Seite des Feuers drei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher