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Duftspur

Duftspur

Titel: Duftspur
Autoren: Sinje Beck
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reißt die Wolkendecke über mir auf, die Feuchtigkeit des regennassen Asphalts beginnt zu verdunsten, ich mag diesen Geruch. Die Sonnenstrahlen des Frühlings haben schon wärmende Kraft. ›Wochenend und Sonnenschein‹ stimmen die Comedian Harmonists an. Das fröhliche Lied erklingt von irgendwoher erinnernd aus den Speicherarealen meines Gehirns. Ach ja, das Leben! Das Leben, doziert mein Vater, ist kein Selbstbedienungsladen ohne Kassierer. Es ist hart und geprägt von Entbehrungen und man bekommt nichts geschenkt. Er predigte nur unter Einfluss von zwei Flaschen Apfelwein, dem billigen. Ansonsten hat er sich immer aus der Erziehung rausgehalten. Manchmal ist mir, als wäre er schon längst verstorben. Ist er aber nicht, nicht physisch. Wahrscheinlich ist er neben meiner Mutter durchsichtig geworden. Tonlos war er sowieso. Die Maulfaulheit gehört hierher wie das Einregnen. Plaudertäschchen ziehen höchsten zu und zwar alle in meine nähere Umgebung. Anders ist es nicht zu erklären, dass ich die Redseeligen dann an der Backe habe. Ich bin ein aufmerksamer Zuhörer, was auch meine Ex zu schätzen wusste. Doch jetzt muss ich was gestehen, im Laufe unserer langzeitlichen Ehe stellte sich bei mir so eine Marietaubheit ein. Die zeigte sich dadurch, dass ich, sobald der Klang ihrer Stimme abebbte, nur noch genickt oder gebrummt habe. Kennen Sie das?

5
     
    Derzeit textet mich mein neuer Nachbar zu und ersetzt mir das Fernsehen. Mein Apparat hat seine Funktionen stückchenweise aufgegeben. Erst verschwanden die Farben blau, grün und gelb, anschließend schaltete das Gerät auf Stummfilm wann es wollte. Ich werde mir keinen neuen Flimmerkasten zulegen, Reparatur hat auch keinen Zweck, so scheint es, denn der neue Nachbar, Radio- und Fernsehtechniker sei er, hat er gesagt, bemüht sich schon seit Tagen allabendlich, während des reichlichen Konsums von mitgebrachtem Dosenbier. Ich gehe mal davon aus, dass er überhaupt keine Ahnung von dem Gerät hat. Trotzdem glimmt ein kleiner Funken Hoffnung in mir, dass der Nachbar den Fehler vielleicht doch findet. Ein ebenso kleiner Funke glüht auch in mir in Bezug zu Alfons Gerede, dass ich ihm vielleicht aus der Klemme helfen könne.
     
    Beim Zuschlagen der Fahrertür rappelt die Scheibe vorwarnend. Nein, du wirst nicht in der Tür verschwinden, ich verbiete es dir! Wenn es jetzt bald wärmer wird, könnte ich mal testen, ob das Verdeck noch funktioniert. Das wäre der Hammer, Heiner Himmel mit grauem Haar im ebenso grauen Cabrio. Beide etwas zerkratzt und verbeult, aber immer noch schnittig, ich sag nur 2-Liter-CTI. Bei der Figur, die ich dann abgebe, muss ich grinsen. Ich brauche unbedingt ein neues Zopfgummi, eines das zum Wagen passt. Das rosa Puschelteil von Annegret scheint den Stil nicht ganz zu treffen.
     
    Durch den Hinterhof schleiche ich mich heran, das Futter unterm Arm. Gleich müsste Annegret kommen. Die Kätzchen sind in ihrem Versteck, die Mutter hat sie noch nicht davongetragen. Ich könnte ja schon mal das Wasser austauschen. Ganz in der Nähe steht eine Gießkanne zu diesem Zweck. Ebenso leise wie ich hergeschlichen bin, schleiche ich um einen Palettenstapel und erspähe Alfons, wie er mit großen Schritten zielstrebig durch den Hof marschiert. Im Schatten des Torbogens zum Fuhrpark erkenne ich schemenhaft einen schlaksigen Mann. Geradewegs auf ihn stapft Alfons zu und geht ihn rüde an. Er solle verschwinden, sich hier nie wieder blicken lassen. Der Mann erwidert etwas. Jetzt packt Alfons ihn am Kragen, schubst und schüttelt ihn durch, sagt laut und drohend, dass sie nicht hier sei und er sich von ihr fern halten soll, alldieweil, er hat wirklich alldieweil gesagt, könne er sich vorstellen, ihm eingespannt in der Drechselbank eine bleibende Lektion zu erteilen. Er könne auch jetzt gleich die Polizei rufen. Das Argument Alfons’ war wohl überzeugender. Der geschüttelte Schlaks grinst schief und geht rückwärts durch das Tor. Er sagt noch was, formt mit der Hand eine Pistole und gibt einen imaginären Schuss ab. Der wurde schon öfter geschüttelt. Dann höre ich aus dem Haus einen schrillen Schrei. Gunthers Abendwahnsinn setzt ein, und um den in Schach zu halten, braucht es jeden Mann. Alfons wendet sich ab und hastet Richtung Haus. Rätselhaft, dieses Benehmen von Alfons. Als ich hier anfing, wirkte er ausgeglichener. Von hinten tippt mich was an die Schulter. Erschrocken fahre ich zusammen. Annegret kommt ganz nah: »Du stinkst«, dabei grinst
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