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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise
Autoren: Manfred Rebhandl
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nicht.
    Aus der Küche hinaus führte eine Tür ins kalte Stiegenhaus, dort waren die Toiletten, und daneben ihr kleines Büro, auf dem aber P RIVAT stand und nicht B ÜRO . Dort fand ich sie dann, sie lag am Boden und hielt sich die Hand vors Gesicht, das eine Auge war schon zugeschwollen, die Nase war gebrochen, willkommen im Club.
    Sie war alleine, und das wollte sie scheinbar auch bleiben, denn als ich sie fragte, ob ich etwas für sie tun könne, schrie sie mich an: „Ja! Hau ab! Das hier geht dich nichts an!“
    Auch wenn Frauen sonst nie meinen, was sie sagen – diesmal meinte sie es genau so, wie sie es sagte.
    Ich lief also hinaus auf die Straße, bereit, Jolanda zu rächen. Aber derjenige, der ihr das angetan hatte, war nicht mehr zu sehen. Ich stellte den Kragen meines Mantels hoch und ging hinüber zum Quattro Stazzione, und während ich mir eine anzündete, fragte ich mich: Wie würde das wohl weitergehen mit Gutti und Jolanda?
    ***
    Lemmy lag bereits wieder auf seiner Couch, als wäre er nie woanders gewesen, und Ku saß neben ihm auf einem Sessel. Die Beine übereinandergeschlagen, rauchte er lässig einen der Joints, die er gerade gekauft hatte. Als ich hinunterkam und brühwarm erzählte, dass Jolanda von einem Unbekannten niedergeschlagen worden war, dachte ich, das wäre vielleicht ein paar offene Münder wert, aber Lemmy meinte nur, dass er ja schon immer gesagt habe, dass ich niemandem helfen könne, woraufhin ich sagte: „Schau dir doch mal deinen verschrumpelten Schwanz an, jeder verdammte Joint ist größer als diese Wurst!“
    Woraufhin Lemmy sagte: „Ich hab 800 Kinder gezeugt.“
    Und ich: „Aber nicht mit Ficken!“
    Und so weiter.
    Ku stand langsam auf, stellte sich zwischen uns und versuchte, die Lage zu beruhigen, ganz so, als hätte er das irgendwo gelernt, er sagte: „Leute, jetzt nehmt doch mal Zettel und Bleistift in die Hand und schreibt auf, was ihr am anderen mögt und was nicht, und dann redet einfach mal ehrlich miteinander wie zwei erwachsene Menschen, ihr seid schließlich nicht die Einzigen, die vor Weihnachten Probleme mit sich selbst und den anderen haben.“
    Ich sagte: „Du meine Güte, was gibt es denn zu reden, wenn man Probleme hat!“
    Ich war nämlich der „Wer Sorgen hat, hat auch Likör“-Typ. Man macht sich abends den Kübel voll, stellt ihn neben das Bett, in dem man ein paar Tage lang bleiben will, und dann steht man irgendwann wieder auf, und wenn man vorher Probleme hatte, dann kann man sich nachher nicht mehr daran erinnern, weil man sie einfach vergessen hat, das war’s.
    Andererseits entzog mir Lemmy schon seit Längerem jede Energie, er war wie ein schwarzes Loch, also dickes Minus. Dagegen Kubelka! Ein hell leuchtender Stern, der mit seinem verständnisvollen Wesen Wärme spendete und immer öfter die richtigen Worte für mich fand. Und hatte er nicht heute früh was von einer Nacktbar mit Tabledance gesagt? Das alles gab ein fettes Plus! Der Kerl wurde mir mit der Zeit immer sympathischer, trotz seiner dreckigen Brille und den wurbeligen Haaren, und obwohl ich Typen mit bodenlangen Cashmere-Mänteln normalerweise zum Frühstück aß, fragte ich ihn: „Was ist denn jetzt mit diesem Ronnie und seiner verdammten Nichte?“
    Ku: „Wo war ich stehen geblieben?“
    „Bei den Titten von seiner Alten!“
    „Ach ja, Ronnie war also wegen dieser ganzen Scheiße bei mir in Therapie, als er plötzlich nach Amerika abhaute, wohl, um sich endlich von seiner Mutter und ihren Titten freizuschwimmen. Dort muss er dann irgendwie in Rockerkreise geraten sein, denn er kaufte sich eine Harley und fuhr damit ein paar Mal von links nach rechts und wieder zurück, eine erste Postkarte erreichte mich schließlich aus San Antonio, Texas, darauf stand:
    Geht mir gut.
    Heiße jetzt Rockin’ Ronnie .
    Denke fast nicht mehr an Mutti.
    Beim Hin- und Herfahren da drüben muss er dann so ziemlich jeden verdammten Nacktbar-Schuppen der USA besucht haben, selbstverständlich auch und immer wieder als Akt der Rebellion gegen die eigene Mutter und ihre Titten, ich denke, das ist dir mittlerweile klar und ich brauch es nicht immer wieder zu erwähnen.“
    Ich sagte: „Vollkommen klar.“
    Mal abgesehen davon, dass der Typ bescheuert war, nahm ich ihm jetzt fast ein wenig übel, dass der sich Rockin’ Ronnie nannte. Und als wir dann endlich meinen Datsun bestiegen, um die Reise zu Psycho-Ronnie anzutreten, hatte mich Ku so weit gebracht, dass es mich so richtig vor dieser
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