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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman
Autoren: Franz Kabelka
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Scheidungsverhandlung nicht erwähnt zu haben, weil er ihr in Hinblick auf das Sorgerecht nicht schaden wollte. Nun, da sich die Dinge dramatisch verschärft haben, und aus Angst vor einem neuerlichen Suizidversuch erklärt er, dass sie sogar schon kurzfristig in psychiatrischer Behandlung gewesen sei. Wenig später äußert er die Befürchtung, sie könnte auch den Kindern etwas antun wollen. Von Sprüchen wie
du wirst sie nie wieder sehen
bis zu ihrer Andeutung, ein Auto sei unter Umständen eine zuverlässigere Waffe als eine Pistole, muss Kell sich alles Erdenkliche anhören. Einige ihrer telefonischen Drohungen kann er auf Tonband aufzeichnen. Insgesamt kommt es zu vier genau dokumentierten Interventionen seitens des Jugendamts, einmal wird sogar – auf Betreiben der Sozialarbeiter – die Polizei beigezogen. Zur selben Zeit zeigt auch sie immer wieder ihren geschiedenen Mann an, ihre Vorwürfe (angebliche Kindesentführung, unbefugtes Eindringen in ihre Wohnung etc.) erweisen sich aber in keinem Fall als stichhaltig. In Absprache mit dem Sozialen Dienst strengt Kell schließlich ein Verfahren vor dem Familiengericht an, um das Sorgerecht für die Kinder zu bekommen. In diesem Zusammenhang wird ein psychiatrisches Gutachten über die Erziehungsfähigkeit der Mutter erstellt. Ergebnis: Die Kinder werden dem Vater zugesprochen
.
    „Reicht det?“, hat Bühle am Ende seines Reports gefragt.
    O ja, das reicht, mehr als …
    Nur wie er
sie
mit diesem Wissen konfrontieren soll, dazu reicht Hagens ganze Erfahrung als Bulle nicht.
    *
    „Wann hast du eigentlich Geburtstag, Tone?“
    Halb sitzt sie, halb liegt sie auf seinem Bett.
    Er nennt ihr Monat, Tag, Stunde. Die genaue Minute kennt er nicht. „Warum willst du das wissen?“
    „Ich werde es dir sagen! Aber sag du mir erst, wie man deinen Geburtstag begangen hat, als du ein kleiner Junge warst.“
    Er überlegt. „Na, auf jeden Fall gab es eine Torte, ich hab mir immer eine Sachertorte gewünscht, mit einem Haufen Schlagsahne darauf und der entsprechenden Anzahl an Kerzen. Mama und Papa haben
Happy Birthday
gesungen, ziemlich falsch, vor allem Papa, aber mit einem breiten Lachen. Wenn es am Schluss hieß
Lieber Tone, viel Glück!
hab ich trotz allem feuchte Augen bekommen. Und danach eine Uhr, ein Fahrrad, neue Schi – je nachdem. Die üblichen Sachen halt, die man als Bub so kriegt. Wieso fragst du?“
    Sie sieht ihn schräg an. Ihr Lidschatten ist smaragdgrün, mit einem raffinierten Schuss Silber darüber. Er rückt unruhig auf dem Stuhl hin und her. Ich muss es ihr sagen!, denkt er, wieso sage ich es nicht endlich?
    Ihre Antwort fällt ausführlicher aus, als er erwartet hat. „Weil ich Geburtstage nicht kenne, nie kannte. Wenn ich andere davon reden höre, löst das bei mir Ekel aus. Geburtstage sind doch schrecklich! Eine Hoffnung, die nie eingelöst wird. Habe ich dir eigentlich schon erzählt, dass mein Vater auch Polizist war? Jedenfalls solange wir im Osten lebten. In Westberlin mussten wir mit Mutters Einkommen das Auslangen finden. Papa hatte etwas gegen Geburtstage. Als Kind konnte ich mir nicht vorstellen, wie das ist: Ein Tag, an dem du im Mittelpunkt stehst,
dein
Tag, eine Feier nur für dich … Später, als ich zu Geburtstagspartys eingeladen wurde, bekiffte oder betrank ich mich dort, grundsätzlich. Falls ich überhaupt auftauchte. Dieser Stress: Was sollst du mitbringen, was könnte passen? Aus Verlegenheit schleppte ich meist das Doppelte und Dreifache wie alle anderen an. Aber so richtig stressig wurde es, wenn mir wer zu
meinem
Geburtstag etwas schenkte! Einmal kotzte ich tatsächlich auf ein Präsent: Das war an meinem Fünfundzwanzigsten, als Kell mir ein Seidenkostüm überreichte. Er hatte es von einer indischen Schneiderin extra für mich anfertigen lassen. Ich musste mich übergeben, als ich es auspackte – es war zu schön!“
    Sie
ist
verrückt, denkt Hagen. Vielleicht hat es gar keinen Sinn, mit ihr darüber zu reden?
    „Bei meinem letzten Geburtstag war alles wie früher. Da hat alles wieder gestimmt. Wie damals, als ich gar nicht vorhanden war in Mamas und Papas Augen. Und weil ich nicht existierte für sie, war es auch folgerichtig, dass es keinen eigenen Tag gab für mich. Schlimm, aber vertraut. Mit dem Auszug von zuhause kam die Unsicherheit, die Verwirrung. Zum Davonlaufen, wie gesagt. Ja, ich lief oft davon vor Festen und Glückwünschen … Erst am fünfundzwanzigsten August dieses Jahres herrschte wieder Einklang
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