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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman
Autoren: Franz Kabelka
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Rebreak kann Sachs dennoch nicht verhindern, ebenso wenig den Ausgleich auf 2:2. Als sich eine einsame Wolke vor die Sonne schiebt und das intensive Rot des Platzes von einer Sekunde auf die andere auslöscht, als hätte jemand den Farbfilm in der Kamera durch einen schwarz-weißen ersetzt, ist alles klar: Sachs macht in den restlichen vier Sätzen noch ganze drei Punkte. Als sie sich nach dem Matchball am Netz treffen, schüttelt Selzer den Kopf. So, als wäre ihm sein Sieg peinlich. Oder täuscht er nur etwas vor? Die Hand, die Sachs während der Gratulation schüttelt, hat seinen Druck noch nie dermaßen kräftig erwidert.
    Unter der Dusche stellt Selzer ihm eine nicht ganz alltägliche Frage:
    „Was würden Sie tun, wenn Sie einen anonymen Brief erhielten, in dem ein Kollege eines groben Fehlers bezichtigt wird?“
    Sachs wischt sich den Schaum aus dem Gesicht. „Was für eines Fehlers?“
    „Sagen wir: eines Verstoßes gegen die therapeutische Abstinenz.“
    „Gibt es einen konkreten Anlass für Ihre Frage?“
    „Na ja, Westhäußer hat mich gestern um Rat gefragt. Offenbar hat er kürzlich einen solchen Brief erhalten.“
    Sachs richtet den heißen Wasserstrahl auf seine Brust. Irgendetwas an diesem Gespräch kommt ihm merkwürdig vor.
    „Wie der Kollege heißt, um den es in diesem Brief geht, wissen Sie nicht?“
    „Nein. Wir haben uns über das Problem nur ganz grundsätzlich unterhalten.“
    Nur ganz grundsätzlich, aha. In Sachsens Hirn beginnt es zu arbeiten. Ist da etwas im Busch? Ende der Subordination, oder was?
    „Sie haben Westhäußer doch sicher gesagt, dass er die Angelegenheit zuerst mit mir besprechen soll, bevor er die Ethikkommission damit befasst?“
    Er bekommt keine Antwort. Selzer dürfte die Frage nicht gehört haben, er hat den Hahn auf blau gestellt und mimt den Ultraharten. Das eisig kalte Wasser spritzt unangenehm zu Sachs herüber.
    „Sollte an der Sache etwas dran sein“, setzt Sachs fort, „ist das ja wohl klare Chefsache.“
    „Wie bitte?“, schreit Selzer.
    „Chefsache!“, schreit Sachs zurück. Er stellt das rauschende Wasser ab und greift zum Badetuch. „Generell sind solche Vorwürfe natürlich mit größter Skepsis zu betrachten. Aber das muss ich Ihnen ja nicht sagen, lieber Kollege! Denken Sie nur daran, was seinerzeit diese Frau – wie hieß sie noch? – über Sie in den Raum gestellt hat!“
    „Angelika Tandler.“
    „Richtig, die Tandler.
Selzer hat mich vergewaltigt!
Als Aushang am öffentlichen Anschlagbrett! Nur weil Sie es gewagt hatten, in die wohlverdienten Weihnachtsferien zu gehen und der Dame für zwei Wochen nicht zur Verfügung zu stehen.“
    „Sie hatten mich auf der Stelle in Schutz genommen.“
    „Na selbstverständlich. Solche Reaktionen sind bei Borderlinern ja absehbar. Wie sie es verstehen, in die passive Opferrolle zu wechseln, indem sie ihr Gefühl des Verlassenseins auf uns Therapeuten verschieben … Darin sind sie wirklich einsame Spitzenklasse. Mit Betonung auf einsam.“
    Jetzt hat auch Selzer die Dusche abgestellt. Seine Haut ist ganz rot vom Kälteschock, er wirkt wach und energetisiert. Gar nicht wie der Typus des ewig Zweiten …
    „Trotzdem.“ Selzer sieht seinen Chef prüfend an. „Trotzdem frage ich mich seither: Wieso haben Sie mich reingewaschen, ohne den Wahrheitsgehalt der Anschuldigung nur ansatzweise zu überprüfen?“
    Sachs schaltet den Föhn ein.
    „Ich will Ihnen mal was sagen, Selzer: Es ist leider ein Faktum, dass bei einer jeden solchen Verleumdung am Opfer etwas hängen bleibt. So wenig Substanz der Vorwurf auch haben mag – er hinterlässt Spuren, einen schalen Beigeschmack. Die Angst um den guten Ruf. Selbst wenn die Kollegen nichts Übles denken, kommt man als Betroffener nicht umhin zu argwöhnen, sie
könnten
etwas Übles denken. Ist es nicht so?“ Er schaltet den Föhn aus, um die Dramatik durch Stille zu steigern: „Nun, das ist die Antwort auf Ihre Frage: Genau diese Unannehmlichkeiten wollte ich Ihnen ersparen.“
    „Ja“, sagt Selzer nachdenklich, „das ist die edle Version. Aber grundsätzlich könnte man sich auch noch eine andere vorstellen …“
    Sie stehen einander nackt gegenüber, nur mit dicken Frotteetüchern bewaffnet. Selzer unsicher, ob er die Attacke wirklich reiten soll; Sachs damit beschäftigt, Namen zu rekonstruieren: Wie hieß es gleich, das lockige Luder, das damals in seinem Bett landete? Susanne, oder doch eher Sabine? Danach die ausgebrannte Krankenschwester aus
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