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Duell im Eis

Duell im Eis

Titel: Duell im Eis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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keiner hätte sie gehört, wochenlang, monatelang hätten sie unter dem Eis gestanden, bis sich alles beruhigt hätte. Zwei, drei Monate – wer wußte, wie in drei Monaten die Welt aussah! Jeden Tag veränderte sie sich, und die Hure Politik lag mal mit diesem, mal mit jenem im Bett, und die schamlosen Zuschauer klatschten Beifall. Die Zeit, der große Verbündete der Russen – warum vergaß Wisjatsche die Zeit?
    Das Telefon schlug an. Schesjekin hob seufzend ab. Der neunte Anruf innerhalb von vier Stunden.
    Sujin war am Apparat. Seine Stimme klang nicht gerade fröhlich. »Genosse Schesjekin«, sagte er, »die Nachricht aus Moskau ist gekommen. Eine endgültige Stellungnahme von Marschall Ogarkow. Stillhalten.«
    »Wir verlieren unser Gesicht!« schrie Schesjekin auf. »Die ganze Welt wird über uns lachen.«
    »Die ganze Welt weiß doch von nichts. Und die es wissen, werden schweigen, zum Wohl des Friedens. Seien Sie kein Stein im Weg, Wladimir Petrowitsch.«
    Der letzte Satz von Sujin machte Schesjekin sehr zu schaffen. So hingeworfen war er gewesen, so dahergesagt wie ein Sprichwort, aber im Untergrund schlief die Drohung. Was macht man mit einem Stein, der im Weg liegt? Weg räumt man ihn, wirft ihn zur Seite, in einen Straßengraben, in einen Bach! Hindernisse sind dazu da, daß man sie beseitigt. Seien Sie kein Stein im Weg – war das nicht deutlich genug?
    Schesjekin kratzte wieder seine rote Knollennase, holte aus der Lade seines Tisches eine Flasche Wodka, entkorkte sie und setzte sie an die Lippen. Nach tiefen Zügen war ihm wohler, er rülpste kräftig und stellte die Flasche in die Lade zurück.
    Auch das begriff der Genosse Gorbatschow nicht, als er das Wodkagesetz erließ und den Verbrauch einschränkte: Für einen Russen ist Wodka wie Medizin. Ein Allheilmittel, das immer hilft: gegen Kummer und Ehestreit, gegen Schweißfüße und Herzklopfen, gegen Liebeskummer und Gehirnerweichung, gegen Armbruch und Durchfall, sogar gegen den Anblick verhaßter Menschen. Ja, und auch zur Freude konnte man ihn trinken, zur Unterstützung des Glücks, zum Lob eines hübschen Weibchens.
    Na sdarowje …
    Das hätte Schesjekin nicht gesagt, wenn er gewußt hätte, daß im Haus der Berreskowa fünf nackte Betrunkene mit den Köpfen auf einem Tisch schliefen. Fünf, denn auch Nurian hatte sich ausgezogen, um nicht unter so viel Nackten als Außenseiter zu gelten.
    In Washington war es 8 Uhr morgens, als die Verbindung mit Moskau zustande kam. Der Chefdolmetscher hielt Ronald Reagan den Hörer hin.
    Reagan hatte es sich in seinem Sessel bequem gemacht, streckte die langen Beine weit von sich und hatte eine Tasse Tee vor sich stehen. Er war allein in dem ovalen Raum, hatte den Sekretär hinausgeschickt und angeordnet, daß man ihn nur dann stören dürfe, wenn er sich an der Tür blicken lasse. Nichts war so wichtig wie das, was er in den nächsten 15 Minuten hinter sich bringen wollte.
    »Hier Ron«, sagte er, als sich der Teilnehmer in Moskau meldete. »Guten Morgen, Michail.« Über einen zweiten Apparat übersetzte der Dolmetscher. »Wie geht's? Hast du auch eine so herrliche Morgensonne im Zimmer?«
    »Nein, Ron.« Gorbatschows Stimme klang so deutlich, als stehe er neben Reagan. Die Stimme des sowjetischen Dolmetschers klang dagegen tonlos und fade. »Es regnet hier.«
    »Es regnet! Komm her nach Washington, wir fahren auf meine Farm, und du legst dich in die Sonne.«
    »Ein verlockender Gedanke.« Reagan hörte Gorbatschow leise lachen. »Leider werde ich in Moskau gebraucht. Wir haben zwei große Völker in den Frieden zu führen.«
    »Du sagst es, Michail, du sagst es!« Reagan schob seine Beine noch mehr nach vorn, er lag jetzt fast im Sessel. »Deswegen rufe ich an. Kannst du dir vorstellen, daß ein Eisberg den Weltfrieden gefährdet, ein Eisberg in der Antarktis, im Ross-Meer? So ein verdammter großer Eisberg?«
    »Das wäre absurd.« Gorbatschow schien zu lächeln – die kleine Sprechpause legte Reagan so aus. Du weißt genau, wovon ich rede, du alter Gauner, dachte er, und jetzt machen wir einen kleinen, aber harten Poker, und die Partie läuft unentschieden aus. »Du meinst den Abbruch vom Schelfeis?«
    »Genau den und eure Militärbasis darauf.«
    »Und eure kleine Stadt auf dem Eis, mit einem Flugzeugträger vor der Tür und einem Geschwader im Anmarsch?«
    »Michail, es handelt sich um eine harmlose Polarforschungsstation.«
    »Welch eine Duplizität, Ron! Wir bauen ein meeresbiologisches Institut
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