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Du oder der Rest der Welt

Du oder der Rest der Welt

Titel: Du oder der Rest der Welt
Autoren: Simone Elkeles
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Hund geschuftet habe. Aber dann, nachdem ich rausgeworfen wurde und mich den Guerreros del barrio angeschlossen hatte, habe ich an einem Tag über tausend pesos verdient. Es war vielleicht kein sauber verdientes Geld, aber es hat dafür gesorgt, dass wir was zu essen auf dem Tisch hatten.
    »Hast du denn gar nichts aus meinen Fehlern gelernt?«, will er wissen.
    Scheiße, als Alex noch ein Latino Blood war, damals in Chicago, da habe ich ihn angebetet. »Meine Antwort auf diese Frage willst du nicht hören.«
    Alex schüttelt gefrustet den Kopf, greift sich meine Sporttasche und wirft sie auf den Rücksitz des Wagens. Er hat den Ausstieg aus der Gang geschafft. Na und? Die Tattoos wird er den Rest seines Lebens tragen. Ob er es glauben will oder nicht, die anderen werden in ihm immer das Latino Blood sehen. Es spielt gar keine Rolle, ob er in der Gang aktiv ist.
    Ich mustere meinen Bruder ausgiebig. Er hat sich verändert, kein Zweifel. Das habe ich vom ersten Augenblick an gespürt. Er sieht vielleicht aus wie Alex Fuentes, aber ich weiß, dass er den Kampfgeist verloren hat, den er einst besaß. Jetzt, wo er aufs College geht, meint er, die Welt in einen besseren, funkelnden Ort verwandeln zu können, wenn er sich nur schön brav an die Regeln hält. Schon erstaunlich, wie schnell er vergessen hat, dass wir vor nicht allzu langer Zeit im Vorortabschaum von Chicago gelebt haben. Manche Teile der Welt bringst du nicht zum Funkeln, egal wie sehr du versuchst, sie vom Dreck zu befreien und auf Hochglanz zu polieren.
    »¿ Y Mamá ?«, fragt Alex.
    »Ihr geht’s gut.«
    »Und was ist mit Luis?«
    »Dem auch. Unser kleiner Bruder ist fast so schlau wie du, Alex. Er denkt, er wird mal Astronaut wie José Hernández.«
    Alex nickt wie ein stolzer Papa, und ich habe den Eindruck, er glaubt allen Ernstes, dass Luis seinen Traum verwirklichen wird. Die zwei haben doch Wahnvorstellungen … sie sind Träumer, alle beide. Alex glaubt, er könnte die Welt retten, indem er Heilmittel gegen die Seuchen der Menschheit findet, und Luis meint, er könne von dieser Welt zu neuen Ufern aufbrechen und ferne Welten entdecken.
    Als wir auf den Highway biegen, sehe ich in der Ferne eine Bergkette. Sie erinnert mich an die raue Landschaft Mexikos.
    »Die Berge da sind die Front Range«, erklärt Alex mir. »Die Uni liegt am Fuß der Berge.« Er deutet zu seiner Linken. »Die dort drüben werden Flatiron genannt, weil die Steine so platt sind wie Bügelbretter. Ich nehm dich irgendwann mal dahin mit. Brit und ich gehen immer in den Bergen spazieren, wenn wir eine Auszeit von der Uni brauchen.«
    Als er mir einen kurzen Blick zuwirft, starre ich meinen Bruder an, als hätte er plötzlich zwei Köpfe.
    »Was ist?«, fragt er.
    Macht er Witze? ¿ Me está tomando los pelos? »Ich frage mich nur, wer du bist und was zum Teufel du mit meinem Bruder gemacht hast. Mein Bruder Alex war ein Rebell, und jetzt redet er über Berge, Bügelbretter und Spaziergänge mit seiner Freundin.«
    »Wäre dir eine Geschichte übers Saufen und Abstürzen lieber?«
    »Ja!«, sagte ich und tue so, als hätte er damit ins Schwarze getroffen. »Und wenn du mir bitte verrätst, wo ich mich hier besinnungslos betrinken kann, denn ich halte es nicht lange ohne irgendeine illegale Substanz in meinem Blut aus.« Ich lüge ihn an . Mi’amá hat ihm wahrscheinlich erzählt, sie vermute, dass ich Drogen nehme, also kann ich genauso gut so tun, als sei da was dran.
    »Alles klar. Spar dir den Mist für Mamá auf, Carlos. Ich falle genauso wenig darauf herein wie du.«
    Ich lege meine Füße auf das Armaturenbrett. »Du hast ja keinen Schimmer.«
    Alex schiebt sie runter. »Geht’s noch? Das ist Brittanys Auto.«
    »Du stehst so was von unter dem Pantoffel, Mann. Wann gibst du der gringa endlich den Laufpass und legst dir einen ganzen Harem zu, wie alle anderen Collegetypen auch?«, frage ich ihn.
    »Brittany und ich haben nichts mit anderen.«
    »Warum nicht?«
    »Es nennt sich miteinander gehen.«
    »Es macht dich zu einem panocha . Wenn ein Typ nur ein Mädchen hat, ist das gegen die Natur, Alex. Ich bin völlig ungebunden und frei und plane das auch zu bleiben.«
    »Nur damit wir uns verstehen, Señor Harem, in meinem Appartement legst du keine flach.«
    Er ist vielleicht mein großer Bruder, aber unser Vater ist seit Langem tot und begraben. Ich brauche seine beschissenen Regeln nicht. Ich will sie nicht. Es ist an der Zeit, dass ich nach meinen eigenen Regeln lebe.
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