Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du oder der Rest der Welt

Du oder der Rest der Welt

Titel: Du oder der Rest der Welt
Autoren: Simone Elkeles
Vom Netzwerk:
frische Luft hineinzulassen. »Ich habe deine Zeugniskopien schon eingereicht. Sie erwarten dich morgen an der Flatiron High.«
    Schule? Mein Bruder fängt von der Schule an? Mann, das ist das Letzte, worüber man als Siebzehnjähriger nachdenken will. Ich hatte angenommen, er gibt mir mindestens eine Woche, um mich wieder in den Staaten einzuleben. Zeit, einen anderen Gang einzulegen. »Wo hast du dein Gras versteckt?«, frage ich und bin mir bewusst, dass ich damit seine Geduld auf eine harte Probe stelle. »Du solltest es mir lieber verraten, damit ich nicht in deiner Wohnung rumschnüffeln muss, um es zu finden.«
    »Ich hab keins.«
    »Okay. Und wer ist dein Dealer?«
    »Du kapierst es einfach nicht, Carlos. Ich mach diesen Scheiß nicht mehr.«
    »Du hast gesagt, dass du arbeiten gehst. Verdienst du da kein Geld?«
    »Doch, und damit kaufe ich ein, gehe aufs College und überweise, was immer übrig bleibt, an Mamá .«
    Während ich noch versuche, die News zu verarbeiten, öffnet sich die Wohnungstür. Ich erkenne seine blonde Freundin sofort. In der einen Hand hat sie den Wohnungsschlüssel und ihre Handtasche, in der anderen hält sie eine große braune Papiertüte. Sie sieht wie eine zum Leben erweckte Barbiepuppe aus. Mein Bruder nimmt ihr die Papiertüte ab und küsst sie. Sie könnten genauso gut verheiratet sein. »Carlos, du erinnerst dich doch bestimmt noch an Brittany.«
    Sie öffnet die Arme weit und zieht mich in eine Umarmung. »Carlos, es ist so schön, dass du da bist!«, zwitschert Brittany fröhlich. Ich hatte ganz vergessen, dass sie an der Highschool Cheerleaderin war, aber sobald sie den Mund aufmacht, fällt es mir wieder ein.
    »Für wen?«, sage ich abwehrend.
    Sie tritt einen Schritt zurück. »Für dich. Und für Alex. Er vermisst seine Familie.«
    »Na klar.«
    Sie räuspert sich und wirkt ein bisschen verunsichert. »Hm … okay, also ich hab euch Jungs was vom Chinesen geholt. Ich hoffe, ihr seid hungrig.«
    »Wir sind Mexikaner«, erzähle ich ihr. »Warum hast du kein mexikanisches Essen geholt?«
    Brittanys perfekt geformte Augenbrauen ziehen sich zusammen. »Das soll ein Witz sein, oder?«
    »Eigentlich nicht.«
    Sie wendet sich der Küche zu. » Alex, kannst du mir hier mal helfen?«
    Alex erscheint mit Papptellern und Plastikbesteck in den Händen. »Carlos, was ist dein Problem?«
    Ich zucke mit den Achseln. »Ich hab kein Problem. Ich habe deine Freundin nur gefragt, warum sie kein mexikanisches Essen gekauft hat. Sie ist diejenige, die so ein großes Ding draus macht.«
    »Denk an deine Manieren und bedank dich, anstatt sie blöd anzumachen.«
    Es ist glasklar, auf welcher Seite mein Bruder steht. Einmal hat Alex zu mir gesagt, er sei der Latino Blood nur beigetreten, um unsere Familie zu beschützen – und damit Luis und ich nicht in die Gang müssten. Aber jetzt zeigt sich, dass ihm die Familie einen Scheißdreck bedeutet.
    Brittany hebt abwehrend die Hände. »Ich möchte nicht, dass ihr zwei meinetwegen streitet.« Sie schiebt den Riemen ihrer Handtasche auf der Schulter weiter nach oben und seufzt. »Ich denke, ich geh dann mal besser, damit ihr euch wieder aneinander gewöhnen könnt.«
    »Geh nicht«, sagt Alex.
    Dios mio . Ich befürchte, mein Bruder hat seine Eier irgendwo zwischen Mexiko und hier verloren. Oder vielleicht trägt Brittany sie ja auch in ihrer schicken Handtasche mit sich herum.» Alex, lass sie gehen, wenn sie gehen will.« Es ist Zeit, die Leine zu kappen, die sie ihm angelegt hat.
    »Ist schon okay, wirklich«, sagt sie und küsst meinen Bruder. »Lasst euch das Mittagessen schmecken. Ich seh dich dann morgen. Ciao, Carlos.«
    »Hm, hm.« Sobald sie weg ist, schnappe ich mir die braune Tüte von der Anrichte und bringe sie zum Tisch. Ich lese die Beschriftung der einzelnen Boxen laut vor. Hühnchen Chow Mein … Rind Chow Fun … Pu-pu-Platte . »Pu-pu-Platte?«
    »Das sind gemischte Vorspeisen«, erklärt Alex.
    Ich werde nichts anrühren, dass als Pu-pu bezeichnet wird. Mich nervt, dass mein Bruder überhaupt weiß, was eine Pu-pu-Platte ist. Ich lasse die Box in Ruhe, schaufle mir etwas von dem identifizierbaren chinesischen Essen auf meinen Teller und beginne zu kauen. »Isst du nichts?«, frage ich Alex.
    Er guckt mich an, als sei ich ein völlig Fremder.
    »¿ Qué pasa ?«, frage ich.
    »Brittany wird nirgendwohin gehen, verstehst du.«
    »Das ist ja das Problem. Warum siehst du das denn nicht?«
    »Was ich sehe, ist mein siebzehnjähriger
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher