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Du oder der Rest der Welt

Du oder der Rest der Welt

Titel: Du oder der Rest der Welt
Autoren: Simone Elkeles
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Bruder, der sich aufführt, als sei er fünf. Zeit, erwachsen zu werden, mocoso .«
    »Damit ich so scheißlangweilig werde wie du? Nein, danke.«
    Alex schnappt sich seine Schlüssel.
    »Wo willst du hin?«
    »Ich gehe mich bei meiner Freundin entschuldigen und dann zur Arbeit. Fühl dich wie zu Hause«, sagt er und wirft mir die Wohnungsschlüssel zu. »Und mach keinen Ärger.«
    »Wenn du sowieso mit Brittany reden willst«, sage ich und nehme einen Bissen von einer Frühlingsrolle, »warum fragst du sie bei der Gelegenheit nicht gleich, ob sie dir deine Eier zurückgibt?«

Kiara
     
    »Kiara, ich kann nicht glaube, dass er per SMS mit dir Schluss gemacht hat«, sagt mein bester Freund Tuck, während er die drei Sätze auf meinem Handy liest. Wir sind in meinem Zimmer, und Tuck sitzt an meinem Schreibtisch. » Das m uns lft nich. Sry. Don’t h8 me.« Er wirft mir das Handy wieder zu. »Das Mindeste wäre gewesen, alles auszuschreiben. Don’t h8 me? Der Typ ist ein Witz. Natürlich hasst du ihn jetzt.«
    Ich liege auf dem Rücken auf meinem Bett und starre die Decke an, und ich denke an das erste Mal zurück, als Michael und ich uns geküsst haben. Es war beim Open-Air-Sommerkonzert in Niwot hinter der Eisbude. »Ich hatte ihn gern.«
    »Hm. Ich konnte ihn noch nie leiden. Man sollte niemandem trauen, den man im Wartezimmer seines Therapeuten kennenlernt.«
    Ich drehe mich auf den Bauch und stütze mich auf meine Ellbogen. »Ich war beim Logopäden. Und er hat nur seinen Bruder hingebracht.«
    Tuck, der bisher noch keinen Jungen leiden konnte, mit dem ich gegangen bin, zieht ein pinkfarbenes Notizbuch aus meinem Schreibtisch, auf dem ein Totenkopf prangt. Er wackelt mahnend mit dem Zeigefinger. »Vertrau niemals einem Kerl, der dir beim zweiten Date erzählt, dass er dich liebt. Ist mir mal so gegangen. Die Beziehung war für’n Arsch.«
    »Warum? Glaubst du nicht an Liebe auf den ersten Blick?«
    »Nein. Ich glaube an Lust auf den ersten Blick. An Begehren. Aber nicht an Liebe. Michael hat dir nur gesagt, dass er dich liebt, damit du ihn ranlässt.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich bin ein Kerl, daher weiß ich es.« Tuck runzelt die Stirn. »Du hast es nicht mit ihm gemacht, oder?«
    »Nein«, sage ich und schüttle den Kopf, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen. Wir haben nur so rumgemacht, aber ich wollte den nächsten Schritt nicht gehen. Ich war … ach, ich weiß auch nicht. Ich war einfach noch nicht so weit, schätze ich.
    Ich habe Michael weder gesprochen noch gesehen, seit vor zwei Wochen die Schule wieder angefangen hat. Klar, wir haben ein paar SMS hin- und hergeschickt, aber er hat die ganze Zeit behauptet, er habe viel um die Ohren und würde sich melden, wenn er eine freie Minute hätte. Er ist Senior in Longmont, das sind zwanzig Minuten von hier, und ich gehe in Boulder zur Schule, also habe ich gedacht, er sei einfach mit Schulkram beschäftigt. Aber jetzt weiß ich, dass der Grund für die Funkstille nicht der Hausaufgabenoverkill war. Der Grund war, dass er Schluss machen wollte.
    Ist es, weil er eine andere kennengelernt hat?
    Ist es, weil er mich nicht hübsch genug findet?
    Ist es, weil ich nicht mit ihm schlafen wollte?
    Es kann nicht daran liegen, dass ich stottere. Ich habe den ganzen Sommer geübt und seit Juni nicht einmal mehr gestottert. Jede Woche bin ich zum Logopäden gegangen, jeden Tag habe ich vor dem Spiegel sprechen geübt, in jeder Minute achte ich darauf, die Worte ganz bewusst auszusprechen, die aus meinem Mund kommen. Früher war es eine Tortur, etwas zu sagen. Ich wartete auf den verwirrten Blick der Leute und die »Oh, sie hat ein Problem«-Erkenntnis. Dann kam der mitleidige Blick. Und dann die »Sie ist bestimmt zurückgeblieben«-Annahme. Für einige Mädchen an meiner Schule war ich mit meinem Stottern die perfekte Lachnummer.
    Aber ich stottere nicht mehr.
    Tuck weiß, dass ich entschlossen bin, allen meine selbstbewusste Seite zu zeigen – die Seite, die ich den Leuten von der Schule bisher nicht präsentiert habe. Die ersten drei Jahre auf der Highschool war ich schüchtern und introvertiert, weil ich eine ungeheure Angst davor hatte, dass die Leute sich über meine Stotterei lustig machen. Von heute an werden sie statt Kiara Westford der Schüchternen Kiara Westford die Selbstbewusste kennenlernen, die keine Angst davor hat, ihre Meinung zu sagen.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Michael mit mir Schluss machen würde. Ich war fest davon
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