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Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)
Autoren: Katharina Saalfrank
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zu wissen, hören wir sehr wahrscheinlich auf, verunsichert – oder besser: irritiert – zu sein. Die Verunsicherung, die Irritation, ist ein wichtiger Teil jeder pädagogischen Arbeit. Irritation ist – im Gegensatz zur Verwirrung – der schöne Moment, bevor eine Idee entsteht.
    Katharina Saalfrank: Als ich zum ersten Mal in einer Ihrer Schulen war, ist mir sofort die gestaltete Lernumgebung aufgefallen. Welche Rolle spielt sie beim Autonomen Lernen?
    Peter Fratton: Das Wohlgefühl ist die Voraussetzung für entspanntes Lernen. Uns ist es ein großes Anliegen, dass die Umgebung so ist, dass die Kinder sich aufgehoben fühlen. Dies wird kaum erreicht, wenn einfach nur irgendwo in einem kahlen Raum Stühle und Tische stehen.
    Das Lernatelier ist sozusagen das Wohnzimmer der Lernfamilie. Alle Lernpartner haben einen Schlüssel, damit sie auch am Wochenende oder an den Abenden das Lernatelier nutzen können, selbst wenn kein Lernbegleiter mehr da ist. Wir vertrauen den Kindern und Jugendlichen; und es ist ganz entscheidend für die Umgebung, dass uns die Lernpartner nicht als »Polizisten« erleben, die alles kontrollieren, sondern eben als Begleiter. Auf diese Weise entsteht ein Klima, in dem wir uns alle entspannt fühlen und wo es möglich wird, auch Konflikte auszutragen und zu lösen.
    Katharina Saalfrank: Wie sieht ein alltäglicher Schultag bei Ihnen aus? Wie findet Unterricht statt?
    Peter Fratton: Am Morgen gibt es den ersten Input. Das ist eine kurze Sequenz, eine Art Lektion von einer halben Stunde Dauer, die im Stehen stattfindet und in der fünf Phasen durchlaufen werden. In der ersten Phase können die Lernpartner überprüfen, ob sie die Lernziele erreicht haben. In der zweiten Phase werden die nächsten Ziele festgelegt. Die dritte Phase ist die Faszinationsphase. Bei uns bedeutet »Faszinationsphase« nicht, dass ich mir überlege, wie könnte ich dich faszinieren oder motivieren, sondern ich erzähle von meiner eigenen Faszination im Zusammenhang mit den Lernzielen.
    In der vierten Phase, der Anregungsphase, gebe ich den Lernpartnern mindestens drei Möglichkeiten, wie sie ihre Ziele erreichen könnten. Ich stelle also nicht Aufgaben, sondern zeige Wege zum Ziel. Die fünfte Phase schließlich ist die Planungsphase: Wann, mit wem, wo und wie lange möchte ich an diesen Zielen arbeiten? Das wird im Lerntagebuch festgehalten.
    Katharina Saalfrank: Dann ist aber erst eine halbe Stunde des Vormittags vorbei. Was geschieht denn mit dem Rest des Schultags? In herkömmlichen Schulen dauert der Unterricht von morgens bis in den frühen Nachmittag.
    Peter Fratton: Ja, von einer Lektion zur nächsten. Das kann natürlich kein Mensch aushalten. Man tut einfach so, als ob es aushaltbar wäre. Bei uns gibt es jeden Morgen lediglich zwei dieser dreißigminütigen Inputs. Der Rest des Tages wird von den Lernpartnern für Konsolidierung, eigenes Experimentieren oder persönliches Coaching mit dem Lernbegleiter genutzt. Es ist immer ein Lernbegleiter im Lernatelier. Die Lernpartner strukturieren ihre Zeit selbst und gestalten den Weg zu ihrem persönlichen Lernziel. Am Nachmittag gibt es dann Gruppenarbeit. Da vernetzen sich die Fächer noch mal untereinander, und es wird auch Wissen vermittelt, das über die Fächer hinausgeht.
    Katharina Saalfrank: Diese Form des Lernens – sich selbst Ziele zu setzen, Verantwortung zu übernehmen – ist etwas, das den meisten Kindern im staatlichen System noch verwehrt ist. Viele unserer Kinder sind nach Ihren Worten »Lerninvaliden«. Wie werden Kinder dazu?
    Peter Fratton: Das liegt aus meiner Sicht an der Form der Schule, wie sie im gängigen Rahmen strukturiert ist. Ein Raum mit dreißig Kindern, vorne der Lehrer, der sagt etwas, nachher müssen alle dasselbe machen, und zur Entspannung gibt es Gruppenarbeit. Alle gleichaltrigen Schüler haben beim gleichen Lehrer zum gleichen Zeitpunkt im gleichen Zimmer mit dem gleichen Lehrmittel das gleiche Ziel gleich gut zu erreichen. G-7 nennen wir dieses Prinzip. Das ist eine Überforderung für alle Beteiligten, für die Schüler, aber eben auch für die Lehrer.
    Wir haben statt des G-7-Prinzips die V-8-Begleitung, die besagt: »Auf vielfältigen Wegen mit vielfältigen Menschen an vielfältigen Orten zu vielfältigsten Zeiten mit vielfältigen Materialien in vielfältigen Schritten und mit vielfältigen Ideen in vielfältigen Rhythmen zu gemeinsamen Zielen.«
    Katharina Saalfrank: Es heißt ja, es gäbe immer mehr
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