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Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)
Autoren: Katharina Saalfrank
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verhaltensauffällige Kinder. Meine Erfahrung ist, dass 90 Prozent der Kinder, die als therapiebedürftig gelten, sich ganz normal und gesund verhalten. Und dass sie keine Therapie brauchen, sondern eine stabile, gute persönliche Beziehung. Wie ist da Ihre Erfahrung?
    Peter Fratton: Das meine ich auch. Paul Watzlawick hat das mal ganz treffend gesagt: Diese ganzen Schulpsychologen, die werden von den Lehrern gebraucht, nicht aber von den Kindern.
    Wir haben hier das Prinzip, dass wir uns als Lernbegleiter in der Beziehung vollumfänglich verantwortlich fühlen. Lieber lassen wir uns beraten, als dass wir die Kinder weitergeben, denn für das Kind entsteht durch die Weitergabe an den »Fachmann« immer auch ein Beziehungsbruch.
    Katharina Saalfrank: Was geschieht Ihrer Meinung nach, wenn sich auf Dauer nichts ändert im staatlichen Schulsystem?
    Peter Fratton: Ich glaube, dass sich das System ändern muss, weil es eine Not von unten gibt, dass früher oder später niemand mehr den Beruf des Lehrers ergreifen will oder nur noch viel zu wenige oder dass Eltern sich wehren, wenn sich nichts ändert. Zudem sollte es so sein, dass die Eltern die Schule – ob staatlich oder privat – wählen können. Die Ökonomie der Wahlfreiheit schafft eine gute Grundlage.
    Katharina Saalfrank: Es wäre ja gut, wenn Eltern sich wehren! Das würde ich mir wünschen! Jetzt die spannende Frage: Sie sind eine private Schule. Wäre Ihr Konzept denn auch im staatlichen System umsetzbar?
    Peter Fratton: Sie fragen nach der Finanzierbarkeit? Also zunächst mal: Eine Haltungsänderung zum Kind kostet ja erst mal nichts. Da beginnt es bei jedem selbst.
    Ein Rechenbeispiel aus dem Schweizer Kanton Thurgau kann ich aber auch anbieten: Die Kosten für einen Schüler im zehnten Schuljahr einer staatlichen Schule betrugen 2009 umgerechnet 17.880 Euro. Im Haus des Lernens waren es nur 13.660 Euro. Unsere private Schule ist also ca. 4.000 Euro kostengünstiger. Es wäre interessant, auch die Kosten von deutschen Privatschulen und staatlichen Schulen zu vergleichen. Meine Hypothese: Genau wie in der Schweiz arbeiten wir auch in Deutschland kostengünstiger!

Ausblick
    Das Familienleben als solches scheint in stetiger Auflösung begriffen. Paare bekommen immer weniger Kinder, Familien brechen auseinander, die Generationen leben fast ausnahmslos streng voneinander getrennt und meist nicht mehr unter einem Dach oder in unmittelbarer Nachbarschaft. Das Leben in der Mehrgenerationen-Großfamilie können sich viele von uns heute nicht mehr vorstellen.
    Was bedeutet es, wenn wir nun die letzten traditionellen Strukturen innerhalb von Familien hinterfragen und auch noch die Erziehung abschaffen? Stellen wir damit nicht auch den letzten verbliebenen familiären Zusammenhang, das Eltern-Kind-Verhältnis, zur Disposition?
    Ich denke nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Ende der Erziehung genau das Gegenteil bewirken kann. Denn die auf den vorangegangenen Seiten beschriebenen neuen Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern können eine ganz neue Basis der Eltern-Kind-Beziehung darstellen und damit ein neues Band innerhalb der familiären Strukturen knüpfen. Dies hat nicht nur Einfluss auf die Lebensform Familie, sondern birgt auch Chancen, langfristig unsere Gesellschaft zu verändern.
    Bislang wird die Pubertät als eine Phase begriffen, die von Rebellion und Widerstand geprägt ist und automatisch zu Konflikten mit den Erwachsenen führt, weil das Autonomwerden des Jugendlichen als Angriff auf den erzieherischen Machtanspruch der Erwachsenen verstanden wird. In dieser Phase des Aufwachsens kommt es dadurch zumeist zu einem Bruch zwischen den Generationen, denn in einem von Macht geprägten Erziehungsverhältnis müssen Kinder unweigerlich mit ihren Eltern brechen, um ihre schmerzlich vermisste Autonomie ergreifen und den Schritt in die Selbstständigkeit gehen zu können. Sie müssen gehen, um eines der beiden Urbedürfnisse, das die Erziehung beschneidet, endlich befriedigen zu können.
    Wie radikal dieser Bruch mit den Eltern ausfällt, hängt davon ab, wie viel Autonomie Eltern ihren Kindern im Sozialisationsprozess zugestanden haben. Und man muss nur einen Blick zurückwerfen, um zu erkennen, dass der Bruch mit den Eltern desto radikaler ist, je strenger, je mehr auf Gehorsam und damit auf Unterdrückung der kindlichen Autonomie gerichtet das Erziehungskonzept der Eltern war. Gerade das Zerwürfnis mit dem Vater war für Söhne noch vor
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