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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
Autoren: PeP eBooks
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hätte mir genauso gut ein beliebiges Schmuckstück reichen können. Oder eine Handvoll Münzen. Das Zeichen lag kalt in ihrer Hand. Erst zwischen meinen Fingern erwachte es zum Leben, begann, sich zu erwärmen und zu strömen.« Sie seufzt. »Warum musste sie nur gleich zu Anfang ihrer Suche so zu Boden geschlagen werden!«
    Gaston ist an eines der Fenster getreten und hat den Vorhang zurückgezogen. Es ist die Seite, wo man auf die Berge schaut. Sie liegen da wie große schlafende Tiere, und der Dunst, der sie einhüllt, könnte ihr Atem sein. »Sie ist ein starkes Kind, eine starke junge Frau. Sie wird es überwinden und eines Tages wird sie Kraft daraus schöpfen«, sagt er.
    »Ja, aber sie braucht Zeit. Und sie in diesem ihrem Zustand loszuschicken nach Wien, den zweiten Buchstaben zu suchen, das wäre – nun, das wäre grausam. Und es wäre auch nicht sinnvoll.«
    »Du meinst ... «
    »Ich meine, wenn sie so auszieht, wie sie jetzt ist, in dieser Gemütslage, dann wird sie auch nichts finden können. Sie kann nichts erfühlen, nichts, was sie anfasst, berührt sie. Sie ist jetzt wie ein Leib ohne Seele. Wie soll sie etwas erspüren?«
    Isabelle hat sich von den Polstern erhoben, ist hinter ihren Mann ans Fenster gegangen, legt ihm die Hand auf die Schulter. Ein tiefer Seufzer erschüttert sie.
    »Ich hab Angst um das Mädchen«, sagt sie leise. »Wer soll sie heilen? Und wie soll es weitergehen, wenn sie sich so verschließt? So das Fühlen aussperrt?«
    »Die Zeit wird sie heilen«, entgegnet Gaston bestimmt und streichelt ihre Hand. »Und vergiss nicht: Sie ist eine Lasker.« Erlacht leise auf. »Komisch, dass ich dir das sagen muss. Dass ich dich daran erinnern muss – was ihr für Frauenzimmer seid.«
    Nun lacht auch Isabelle.
    »Aber du hast recht. Wir dürfen sie jetzt auf keinen Fall nach Wien lassen!«, fährt Gaston fort.
    »Auf keinen Fall. Aber du hast ja gehört. Sie will sich sofort auf den Weg machen.«
    »Ja. Wie ein Soldat, den es erneut in die Schlacht zieht.«
    »Nur dass sie, um im Bild zu bleiben, im Augenblick ein Soldat ist, der nicht weiß, wo der Feind steht.«
    »Sie soll hier auf Hermeneau ausruhen, was meinst du? Den Winter vorübergehen lassen. Wieder zu sich finden.«
    Isabelle nickt. »So machen wir es, Lieber. Das ist das Wenigste, was wir ihr schulden.« Sie wendet sich ab, nimmt den Buchstaben wieder auf, hält ihn in seinem Nest aus blauer Seide in beiden Händen. »Wenn nur meine Ungeduld nicht wäre!«
    »Du und sie, ihr habt ein Jahr Zeit! Das hast du selbst gesagt!«, mahnt Gaston.
    Seine Frau nickt. »Ja. In jedem Jahr einen Buchstaben, so sagen es meine Deutungen der Kabbala-Schriften. Noch haben wir Zeit. Aber gerade deshalb sollten wir etwas ihretwegen unternehmen. Damit sie die Kräfte ihrer Seele wieder aufwecken kann.«
    »Ich fahre noch heute nach Cerbère«, erwidert er. »Zur Post.«

4
    Erst jetzt entdecke ich, was da auf dem Bett liegt, am Kopfende auf der aprikosenfarbenen Tagesdecke: Es ist mein großer Strohhut, den ich im Sommer hier zurückgelassen habe. Der Hut, den ich mir damals in Berlin extra für diesen Urlaub gekauft hatte, unter dessen Schatten ich hier durch Weinberge und Olivenhaine gestiegen und in den Klippen herumgekraxelt bin, den ich trug, als Gaston mir Cerbère gezeigt hat und behutsam anfing, mich einzuweihen in das, was man hier von mir wollte, was Isabelle wollte und wer sie war ...
    Schnell nehme ich ihn, öffne die Schranktür und stecke ihn weg, schiebe ihn auf dem Hutfach so weit nach hinten, dass ich mich auf die Zehen stellen muss. Irgendwie habe ich mir wohl einmal ausgemalt, dass ich ihn tragen würde, wenn ich mit Schlomo hier Hand in Hand durch die Gegend wandere – was ja ohnehin Unsinn ist. Denn was soll man im Winter mit einem Strohhut, ob mit oder ohne jemanden, der bei einem ist.
    Es lohnt nicht, den Koffer auszupacken. Ich bin ja nur auf der Durchreise. Als ich das vorige Mal hier war, da habe ich alles, was ich mitgebracht hatte, sorgfältig auf Bügel gehängt oder in Schubfächer gelegt. Und dann war ich nach ein paar Tagen, ein paar erhellenden Tagen, schon wieder fort. Nun wird es wohl noch schneller gehen. –
    Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist. Das Grau des Tages wird dichter. Ob man sich schon schlafen legen kann?
    Ich zögere. Und dann gebe ich der Versuchung nach, das wunderbare Gast-Badezimmer hier neben meinem Raum zu betreten und die bronzenen Wasserhähne aufzudrehen, um in der großen Wanne mit den
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