Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
Löwenfüßen zu baden, wie ich es beim erstenMal auf Hermeneau so begeistert getan habe, berauscht von dem Luxus, der mir hier geboten wurde. (So etwas kannte ich nicht von zu Hause.)
    Ich streife meine Sachen ab und steige ins Wasser, schließe die Augen. Denke an nichts, das tut mir gut. Treibe irgendwohin. Bin ich eingeschlafen?
    Das Wasser ist kühl geworden inzwischen. Fröstelnd klettere ich aus der Wanne, hülle mich in eins der flauschigen weiß-rosa Tücher. Draußen ist es inzwischen wirklich dämmrig geworden. Ich habe keine Lust, das Licht anzumachen. Nackt, wie ich bin, schlüpfe ich unter die Bettdecke und rolle mich zusammen wie ein Kind im Mutterleib, die Knie angezogen, die zu Fäusten geballten Hände vor dem Mund.
    Weiterschlafen. Aber der Schlaf, der mich im warmen Wasser so unvermittelt überrascht hat – jetzt will er nicht kommen. Am liebsten würde ich mich hin und her schaukeln, mich irgendwohin wegschaukeln, wie es die Tiere im Zoo hinter ihren Gittern tun. Irgendwohin, wo ich traumlos und still liegen kann. Aber es geht nicht. Mein Kopf lässt mir keine Ruhe.
    Es ist schwere Arbeit, die ich leisten muss. Die Erinnerungen wegschieben, als wenn man große Wände bewegen würde, die Kulissen meines Lebens. Weg, fort, aus! Die Vorstellung ist zu Ende. Ich habe Spielpause. Warum? Der Hauptdarsteller hat sich gerade verabschiedet.
    Denk an etwas anderes, Leonie. Denk an Wien, vielleicht. Denk an Gaston und Isabelle.
    Isabelle.
    Ich richte mich im Bett auf, ziehe die Decke um meine Schultern und starre in das zunehmende Dunkel. Wie konnte es geschehen, dass sie »sah«, vorhin, was mir, was uns passiert war in Berlin? Ich weiß doch, als ich ihr den Buchstaben gegeben habe, da fühlte ich nichts. Gar nichts. Das Taw lag auf meiner Handfläche, als wäre es ein x-beliebiger Gegenstand. Da war nur der Blick zwischen ihr und mir. Die jungen und die alten Augen. Ihre Schwärze. Ein Augen-Blick. Und trotzdem wusstesie gleich alles, durchlebte alles, was geschehen war in Berlin, meine Albträume oder Gesichte, das Feuer, das schließlich wirklich das Theatermagazin vernichtete, das Blut Schlomos, das das alte Leder mit dem geretteten Buchstaben durchtränkt hatte. (Steif und starr war das Behältnis, als das Blut getrocknet war – ich glaube, Selde, seine arme Mutter, hat es an sich genommen und bewahrt es bei sich auf; jedenfalls übergab man mir das Zeichen in jener alten Geldbörse.)
    Ich, die ich bereits auf dem Weg war, ebenfalls die düsteren Visionen zu erleben wie Isabelle, ich kann nur beten, dass es mich nicht wieder heimsucht. Vielleicht hat meine »Versteinerung« ja auch die Gabe abgetötet. Der Preis dafür wäre freilich gewaltig...
    Damals, als ich hierherkam, hatte ich noch keine Ahnung von meiner jüdischen Familie. Mein Vater hatte alles so sorgfältig vertuscht, als müsse er einen stinkenden Knochen vergraben.
    Und dann erlebte ich, wie Isabelle eine ihrer Visionen durchlitt – und wurde mit hineingezogen in den Strudel der furchtbaren Gesichte. Wie hat sich mein Leben umgekrempelt seitdem! Wie sehr bin ich beteiligt. Allzu sehr beteiligt. Oh ja.
    Wie auch immer Isabelles magischer Beschützer der Juden, der Golem, entstehen und auferstehen mag, was auch immer er bewirken soll, wenn man denn an ihn glaubt – er tut not. Er tut sehr not. Das weiß ich, nach dem, was ich erlebt habe.
    Und darum muss ich mich überwinden, muss mein steinernes Herz in beide Hände nehmen und so schnell wie möglich nach Wien. Den zweiten Buchstaben finden.
    Wenn es nur nicht so schwer wäre.
    Ich habe mich wieder hingelegt, die Decke, so fest es geht, um mich gezogen.
    Schlomo Laskarow, warum musstest du mich so entsetzlich allein lassen? Hattest du nicht gesagt: »Ich will, dass es für immer ist«?
    Etwas wie ein Luftzug weht über mich hin, kühlt meine Nasenspitze, die aus dem Deckennest herausschaut.
    Vielleicht habe ich das Fenster einen Spaltbreit offen gelassen und der Wind hat sich gedreht.
    Dann schlafe ich. Traumlos.

5
    Am nächsten Morgen versucht sie, einfach so zu tun, als würden zwischen ihrem letzten Besuch auf Schloss Hermeneau und dem jetzigen Aufenthalt nicht Welten liegen, Welten, in denen sie einmal durch Himmel und Hölle gelaufen ist. Sie zieht sich an (das Kleid mit dem zerfetzten Trauerkragen) und geht die Treppe hinunter, wo sie denn auch, als sei nichts gewesen, den gedeckten Frühstückstisch für sie vorfindet, Kaffee und Tee unter Wärmehauben, frisches, nach Anis
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher