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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
Autoren: PeP eBooks
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duftendes Weißbrot im Korb unter der Serviette, Eier, Butter, Käse, Honig.
    Sie frühstückt. Ob sie Appetit hat, weiß sie nicht. Sie sagt sich einfach, dass sie etwas essen muss. Erst als sie mit spitzen Fingern den letzten Brotkrümel vom Teller aufnimmt, merkt sie, dass sie gar nichts geschmeckt hat. Statt der frischen köstlichen Dinge hätte sie auch altbackene Brötchen mit Margarine zu sich nehmen können.
    Schnell schenkt sie sich noch einen zweiten Kaffee ein, um ihre Sinne zu schärfen. Starker, kraftvoll riechender Kaffee. Sie hebt die Tasse an, stockt, bevor sie sie an die Lippen führt.
    So roch es auch in Selde Laskarows großer Küche am Spittelmarkt. Eigentlich den ganzen Tag, wenn jemand zu Hause war von der Familie. Kaffee wurde viel getrunken bei den Komödianten, im Vorübergehen schenkte man sich ein, schlürfte das heiße Getränk hastig im Stehen ...
    Der letzte Morgen. »Zum Frühstück bin ich zurück ... « Er ist schon im Mantel.
    Eine feste warme Hand, die kurz über ihre streicht, ein paar Augen, die sie suchen über dem Rand der Tasse, ungekämmte schwarze Locken ... Leonie setzt das Gefäß so hart ab, dass es klirrt. Wahrscheinlichhat sie etwas kaputt gemacht. Sie stößt den Stuhl zurück, springt auf vom Tisch. Nein, so nicht! Keine Wachträume! Ihre Hand fährt an den Kragen ihres Kleids.
    Er ist tot. Er ist einfach tot.
    Dann steht sie in der geräumigen Diele des Schlosses und sieht sich um. Sie will mit jemandem reden. Mit Isabelle, mit Gaston, über ihre Weiterreise nach Wien. Keine Zeit verlieren. Wann kann sie aufbrechen? Und wo findet sie ihre Wiener Verwandten?
    Sie zögert. Wo sind die beiden? Bibliothek? Salon? Küche vielleicht? Küche ist ihr am sympathischsten. In Küchen ist ihr bisher noch nie etwas Übles zugestoßen. Aber vielleicht trifft sie dort auf Clémence, die Frau aus dem Ort, die Isabelle manchmal im Hause hilft, und die ihr ja nicht besonders zugetan ist.
    Die Entscheidung wird ihr abgenommen, denn es öffnet sich die Tür der Bibliothek und Gaston tritt heraus und bietet ihr einen freundlichen Guten Morgen. Netterweise verzichtet er auf Floskeln wie die Frage, ob sie gut geschlafen habe.
    »Ich war gestern noch auf der Post in Cerbère«, sagt er, »und habe ein langes Telegramm nach Wien abgeschickt.«
    Leonie sieht ihn fragend an.
    »Wegen deiner Ausbildung!«, ergänzt Gaston.
    Ja, natürlich. Das hatte sie über all dem, was geschehen war, ganz aus dem Blick verloren. Gaston hatte ihr damals, als sie ihre Aufgabe übernahm, zugesagt, dass sie in Wien die Schauspielschule besuchen könne, die dem berühmten Burgtheater angeschlossen ist, einer der wichtigsten Spielstätten Europas. Oder auch sich einem privaten Lehrer in die Hand geben dürfe ...
    Ihre Ausbildung zu einer Schauspielerin, zu einer großen Actrice. Irgendwo da vorn, wie im Nebel, liegt das Ziel. Und dies Ziel – ja, das ist das Einzige, was sie vielleicht herauslocken kann aus diesem Tal der Ödnis, in dem sie gerade wandelt. Denn Schauspielerin wird sie werden. Das weiß sie sicher. Schauspielerin kann man auch mit gebrochenem Herzen sein. Oder mit versteinertem...
    Sie runzelt die Stirn. »Hast du – schon etwas entschieden? Wo ich Unterricht nehmen soll?«
    Gaston öffnet einladend die Tür zur Bibliothek. »Ich erkläre es dir ausführlich!«, sagt er.
    Leonie zögert an der Schwelle. Dies war der Raum, wo sie damals erlebt hat, wie sich Isabelle in den Leiden ihrer Vision vom Untergang des jüdischen Volkes gequält hat, und wo sie selbst schemenhaft die Bilder sah, die die andere heimsuchten, und mitzuleiden begann.
    Aber heute Morgen ist das nur ein ganz normaler, freundlicher Raum, Bücher in mindestens vier Sprachen stehen da hinter gläsernen Schranktüren, der Schreibtisch ist aus warm leuchtendem Kirschholz, die Sessel sind mit dunkelgrünem Leder bezogen und durch die hohen Fensterscheiben blickt so etwas wie eine matte Wintersonne herein. Sie tritt ein und sie setzen sich.
    Gaston merkt erleichtert, dass sie an etwas Anteil nimmt. »Ich habe dich bei Frau Lascari angemeldet«, sagt er bedeutungsvoll.
    Natürlich kennt sie den Namen, kann aber ihre Erinnerung nicht einordnen. »Wer ist Frau Lascari?«, fragt sie.
    Gaston sieht sie erstaunt an. »Felice Lascari!«, sagt er eindringlich. » Die Lascari! Burgschauspielerin! Und deine künftige Lehrerin und Mentorin.«
    Die Lascari. Ja, natürlich. Einer der Sterne des Wiener Burgtheaters!
    »Die Lascari ... ich soll bei
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