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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
Autoren: PeP eBooks
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gern würde ich erst einmal alles vergessen, für Stunden wenigstens. In Hermeneau, wohin ich unterwegs bin. Da wird es mir sicher gelingen. Bevor ich mich von dort wieder aufmache nach Wien, um für Isabelle den nächsten Auftrag auszuführen ...
    Im Trüben bin ich fortgefahren aus dem winterlichen Berlin, aber hier, in Südfrankreich, sieht es auch nicht freundlicher aus. Die Luft ist diesig, der Himmel grau, das Meer, das sich von Zeit zu Zeit zeigt, wenn sich die Landschaft öffnet, liegt wie geschmolzenes Blei da, die Berge sind in Nebel gehüllt.
    Mit welchem Entzücken habe ich im vergangenen Sommer diese Aussicht genossen! Damals, als ich das erste Mal hierher reiste, vor ein paar Monaten. Jetzt rührt mich nichts an. Mich soll nichts anrühren.
    Nur so kann ich es aushalten.
    Keine halbe Stunde noch. Dann werde ich in Port Bou, am Rand der Pyrenäen, kurz vor der spanischen Grenze, aus dem Zug steigen und den beiden gegenüberstehen, die mich erwarten: Isabelle, meine Verwandte, meine »Ahnfrau« (eigentlich meine Urgroßtante), und ihr Mann Gaston. Und ich werde ihnen erzählen müssen, was geschehen ist. Ich werde versuchen, es so ruhig wie möglich zu tun.
    Während ich so vor mich hin starre, spiele ich manchmal das Spiel: Was wäre, wenn ...
    Bevor ich den Auftrag angenommen habe, der meinem Geliebten den Tod und mir die Finsternis der Verzweiflung beschert hat, saß ich auf diesem Bahnhof, dem ich mich nun nähere; mein Koffer stand neben mir und ich wollte fort. Wollte fliehen vor all dem, mit dem meine Verwandte Isabelle mich gerade überschüttet hatte. Vor dem Unglaublichen, dem Unheimlichen, dem Verrückten.
    »Isabelle beschäftigt sich mit jüdischer Mystik.« (Gastons Worte) »Damit du es denn weißt: Ich bin Kabbalistin. « (Isabelle)
    Die Kabbala, ein altes Wissen, mit dem man ins Weltgeschehen eingreifen kann ... Mit diesen Kräften einen Mann aus Lehm erschaffen, ihn zum Leben erwecken, damit er die Juden beschützt, denn ihnen droht großes Unheil ... Der Mann aus Lehm heißt der Golem ... Eine Legende? Die Wahrheit? ... Und ich, die ich gerade erst erfahren habe, dass ich ebenfalls jüdische Wurzeln habe, ich soll dazu beitragen ...
    Damals wollte ich fort, wollte den Auftrag zurückweisen. Aber dann saß Gaston neben mir, der alte Mann, Isabelles Mann, und erzählte mir die Geschichte von Isabelles Familie. Und von Isabelles entsetzlicher Gabe, der Gabe, Dinge vorauszusehen, vorauszuahnen.
    Da kehrte ich um.
    Noch klang in meinen Ohren das, was Gaston erzählte, was er von Isabelle wusste, mehr nach einem Märchen. Noch war es keine Wirklichkeit, die mich betreffen sollte.
    Wie ging doch die Geschichte: Es waren einmal drei Brüder ...
    Es waren einmal drei Brüder und eine Schwester, die Isabelle hieß. Sie stammten aus altem jüdischem »Adel«, konnten ihre jüdisch-spanische Abstammung zurückverfolgen bis zu dem Zeitpunkt, als die Familie, zusammen mit allen anderen Juden, aus Spanien vertrieben wurde. Das war 1492, als dort die Inquisition wütete und erbittert Jagd gemacht wurde auf alles, was jüdisch war. Sie waren, wie alle Flüchtlinge aus Spanien, Sepharden, weil das Land im Hebräischen Sepharad genannt wurde.
    Diese stolze und gelehrte Familie hütete ein Geheimnis. Sie war im Besitz von drei bedeutungsvollen hebräischen Buchstaben, die nach kabbalistischem Wissen notwendig waren, eine bestimmte Magie auszuüben. Nach alter Tradition wurden diese Zeichen in den Händen der Männer aufbewahrt. Das Wissen und die Weisheit aber war bei den Frauen. Bei der Frau. Bei Isabelle. Dann wurden die drei Brüder in alle Winde zerstreut. Einer ging nach Deutschland, ein anderer nach Spanien, ein Dritter gründete ein Handelshaus in der Türkei und ging später nach Wien. Aber nun, zu dieser Zeit, jetzt, wo ich gerufen wurde, befand Isabelle es für nötig, ihr Wissen anzuwenden. Und sie brauchte die drei Zeichen. Drei Zeichen, die den Golem zum Leben erwecken ...
    Was wäre, wenn ich abgereist wäre?
    Da hätte ich jetzt nicht dies Herz aus Stein in der Brust, würde nicht in dieser kalten Öde hausen. Dann wäre Schlomo Laskarow am Leben.
    Ja, ich weiß. Dann hätte ich auch nicht dies halbe Jahr voller Glück und Leidenschaft erlebt, hätte meine Verwandten in Berlin nicht getroffen, hätte keine atemberaubenden Momente lang auf ihrer Bühne gestanden ...
    Aber das sagt nur mein Kopf. Mein erstorbenes Herz spielt nicht mit. Der tote junge Mann auf dem Pflaster in der Blutlache
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