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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
Autoren: PeP eBooks
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und klopfe doch an die Tür der »Schul«, hinter der ich die Stimme gehört habe. Vielleicht weiß man eine Lösung für dies Geheimnis.
    Ich verlasse meinen Anbau.
    Im Palais brennt noch Licht. Da feiert meine »Cousine« gewiss ihren Sieg über mich, gemeinsam mit Anton ...
    Als ich auf die Straße trete, kommt mir ein freies Taxi entgegen. Ich lasse mich zur Schwedenbrücke fahren.
    Am Horizont der erleuchtete Kreis des Riesenrads. Wien vergnügt sich bis spät in die Nacht. Im Gegensatz dazu liegt die Mazzesinsel wie ausgestorben da. Kein Mensch scheint auf der Straße zu sein. Auch Hannas Kiosk ist dunkel.
    Am schmiedeisernen Gitter der Brücke hockt mit gekreuzten Beinen der Bettler mit der Geige ohne Bogen, den Kopf auf die Brust gesenkt, wie schlafend. Ein hilfloser Wächter am Eingang zu diesem Stadtteil, ein Wächter ohne Macht, von niemandem beauftragt. Geht er niemals fort? Hat er vielleicht gar kein Zuhause?
    Ich gehe die Taborstraße entlang. Meine Schritte hallen auf dem Pflaster. Sie sind das einzige Geräusch, das weit und breit zu hören ist. Alle Cafés sind geschlossen. Die Straßen sind leer. Keine gestikulierenden Männer in langem Mantel und Hut, keine stark geschminkten Frauen mit Federboas an den Ecken. Totenstille. Nur hinter zugehängten Fenstern schimmert hier und da ein Lichtschein.
    Es ist unheimlich. Was ist hier geschehen?
    Die Negerlegasse liegt verlassen im Dunkel. Ich weiß nicht, hinter welcher Tür die Schul ist. Wo soll ich also klopfen?
    Ich gehe weiter, dann vor mir endlich eine erleuchtete Tür: Die der sephardisch-»türkischen« Syna goge. Daneben, ebenfalls beleuchtet, die andere, der »deutsche« Große Tempel.
    Und da endlich weiß ich es.
    Es ist Freitagabend! Sabbatbeginn.
    Alle sind entweder zum Beten versammelt oder die Familien, Arme wie Reiche, scharen sich um die Tische zum Sabbatmahl.
    Ich werde heute Abend niemanden finden. Muss auch hier fortgehen ohne Abschied, so wie ich keinen Abschied nehmen kann von Goldstein, von meinem Vater. Von der Bühne. Das gehört wohl mit zum Preis, den ich zu zahlen habe.
    Ich kehre um. Auch die Hotels sind dunkel, und an der Eingangstür der Rolandbühne klebt noch immer die Mitteilung, dass geschlossen ist. Aber heute Abend würde ohnehin niemand ins Theater oder Kabarett gehen. Auch Laskarows Künstler-Theater, meine Berliner »Heimatbühne«, gab am Freitag nur eine Nachmittagsvorstellung.
    Auf der Schwedenbrücke lehne ich mich neben dem Bettler ans Geländer und blicke auf das dunkle Wasser des Donaukanals. Adieu, Mazzesinsel. Adieu, Wien.
    Während ich in meiner Tasche krame, um dem alten Mann noch einmal ein Almosen zu geben, hebt der plötzlich mit einem Ruck den Kopf, starrt mit weit aufgerissenen Augen hinter mich.
    Ich kann mich nicht mehr umdrehen, um zu sehen, was er da bemerkt. Ich werde gepackt. Arme umklammern meinen Oberkörper, als würde eine Falle zuschnappen. (Ich habe nichts gehört, keine Schritte! )
    Ich schreie gellend auf, und meine Stimme hallt so laut über das Wasser hin, dass eigentlich die halbe Leopoldstadt das Sabbatessen stehen lassen müsste und mir zu Hilfe eilen. Ich winde mich, wehre mich. Dicht an meinem Ohr die bekannte Stimme: »Judenbraut! Ich hab dich! Ich krieg dich! Ich lass dich nicht aus! Schrei nur, das mag ich! Schrei fest, die hören dich nicht! Die singen und beten!« Und sein Lachen.
    Wie hat er mich hier finden können?, schießt es mir durch den Kopf. Verzweifelt versuche ich, mich aus seinem Griff zu befreien. Ist er mir unbemerkt gefolgt die ganze Zeit oder hat es ihn einfach nur hierhergezogen mit seinen schmutzigen Gedanken, hin zu Hannas Kiosk, wo er mich das erste Mal überfallen hat?
    Ich schreie weiter, laut und gellend. Schreie ohne Worte. Er ändert jetzt seinen Griff, drückt einen Arm brutal gegen meinenHals, quetscht mir die Luft ab, biegt meinen Kopf nach hinten. Ein gurgelndes Geräusch kommt aus meiner Kehle. Immer noch hinter mir, drängt er mich zum Brückengeländer. Jetzt drückt der Rand des Geländers schmerzhaft gegen meinen Magen. Ich höre mein dumpfes Stöhnen, versuche, mich aufzubäumen, trete nach ihm.
    Er lacht, beginnt wieder, seine Obszönitäten zu knurren, versucht, mir den Rock hochzuschieben, und um besser ans Ziel zu kommen, nimmt er die Hand von meinem Hals und drückt stattdessen meinen Oberkörper mit Gewalt über das Brückengeländer. Ich hänge hilflos überm Wasser, versuche, Halt zu finden, klammere mich an den schmiedeeisernen
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