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Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2

Titel: Drei Zeichen sind die Wahrheit - Band 2
Autoren: PeP eBooks
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»Geht es Madame wieder gut?«
    Ein missbilligender Blick streift sie. »Madame geht es selbstredend ausgezeichnet!«
    Dann klopft sie, und auf das »Ja?« von drinnen sagt sie: »Die Fräulein Lasker ist da, gnä’ Frau.«
    »Entrez.«
    Die Szene gleicht jener aufs Haar, als Leonie hier unaufgefordert hergekommen war, nach dem unseligen Kabarettabend mitAnton. Die großen Lampen, das braunsamtene Kleid, in dem Felice hinterm Schreibtisch sitzt. Sogar der ominöse Brieföffner, der gestern ja ganz anderen Zwecken diente, ist an Ort und Stelle. Ansonsten: Madame trägt um das linke Handgelenk ein mehrfach geschlungenes Taftband, um die Mullbinde zu kaschieren. Madame raucht. Der Aschenbecher ist eine Bernsteinschale. Und auf dem Samt des Kleids funkelt groß und golden der Buchstabe. Das Zeichen. Das Mem.
    Leonie schließt die Tür hinter sich und setzt sich unaufgefordert. Braucht es so viel Brimborium für einen Rausschmiss?, denkt sie bitter. Aber ja, wohl doch. Triumphe, die man nicht auskostet, sind keine.
    Felice nimmt einen Zug aus ihrer Zigarette und bläst den Rauch in die Luft, endlos, wie’s Leonie scheint. Dann sagt sie: »Dein Unterricht bei mir ist beendet. Ich möchte, dass du morgen nicht mehr hier bist.«
    »Ich hatte ohnehin vor zu gehen«, erwidert Leonie. Sie hält die Hände ineinander verschlungen im Schoß. Starrt auf das Mem.
    Felice drückt ihre Zigarette aus und legt eine Hand, die Hand mit dem zerschnittenen Gelenk, flach über das Zeichen. »Es hat seinen Grund, warum ich das trage«, bemerkt sie kühl. »Ich will dir etwas vorschlagen.«
    Leonie antwortet nicht. Felice fährt fort: »Hast du deinen Vertrag mit dem Reinhardt-Theater schon unterschrieben?«
    »Ja.«
    »Und abgeschickt?«
    »Nein. In einer Woche fange ich mit den Proben für die Goldoni-Zweitbesetzung an. Dann gebe ich ihn persönlich ab.«
    »Dieser Goldoni!« Felice verzieht die Lippen, als habe sie auf etwas Bitteres gebissen. »Also dann wirklich: Eine Lasker hier und eine Lascari dort auf Wiens Bühnen. So soll das also aussehen.«
    Leonie sagt auch dazu nichts.
    Felice nimmt sich eine neue Zigarette, dreht sie zwischen den Fingern. Dann stößt sie plötzlich heftig hervor: »Woran wäre dirmehr gelegen? An diesem Schmuckstück hier oder an Anton von Rofrano?«
    »Aber ... « Leonie holt tief Luft jetzt. »Was soll der Unfug?«, fragt sie heftig. »Es war einfach nichts.«
    »Wehret den Anfängen!«, sagt ihr Gegenüber heftig. »Kannst du mir nicht einfach eine Antwort geben?«
    »Ich habe mich niemals um ihn bemüht. Du weißt sehr genau.«
    Felice zerknickt die unangezündete Zigarette. Der zerbröselte Tabak fällt auf den Schreibtisch. Sie atmet dreimal tief ein und aus, Einatmen durch die Nase, Ausatmen durch den Mund, wie man es als Schauspieler macht, um sich zu beruhigen.
    Dann sagt sie im Erzählerton: »In dem Stück, das wir beide, Anton und ich, manchmal zu spielen scheinen, im ›Rosenkavalier‹, sagt Bichette, die Marschallin – was meine Figur wäre – über ihren jungen Geliebten: ›Jetzt muss ich noch den Buben dafür trösten, dass er mich über kurz oder lang wird sitzen lassen.‹« Sie schlägt die Augen nieder. »Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, dann das: Ich werd nicht sitzen gelassen. Ich bin diejenige, die geht, wenn’s so weit ist.«
    Sie drückt noch einmal an der Zigarette herum. Fährt dann fort: »Bestimmte Dinge kann ich nicht ertragen. Nicht die Erste zu sein. Hintergangen zu werden. Ausgenutzt zu werden, zum Beispiel.«
    Leonie schüttelt den Kopf. »Ich habe doch schon gesagt: Er ist zu mir gekommen! Und es ist wirklich nichts geschehen!«
    »Ach, darum geht es nicht! Ich meine, dass die Jüngere auftaucht und mir den Rang streitig macht, ob gewollt oder ungewollt. Darum musst du fort.«
    »Ich bin schon so gut wie weg. Aber wenn ich nicht diejenige bin, dann ist es eine andere.«
    »Bestimmt. Irgendwann. Aber dies hier – begreifst du nicht?«
    Mit einer jähen Bewegung fasst sie über den Schreibtisch hinweg nach Leonie, packt deren Arm, so rasch, dass die gar nicht dazukommt, sich zu sträuben, drückt ihn auf die Tischplatte, legtihren eigenen Unterarm daneben. »Da! Siehst du das? Die gleiche bräunliche Haut. Die feinen Härchen bis zum Gelenk. Die Wölbung des Knöchels. Die Ader in der Ellenbeuge. Wenn wir uns von Kopf bis Fuß verhüllen würden und jemand müsste unterscheiden, zu wem welcher Arm gehört – der käme in Verlegenheit. Fleisch von meinem Fleisch.
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