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Drei Worte, die das Glueck bedeuten

Drei Worte, die das Glueck bedeuten

Titel: Drei Worte, die das Glueck bedeuten
Autoren: Anne Mcallister
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pinkelte.
    Hin und wieder fragte Deke sich, ob sein eigener Vater wohl auch einmal so etwas für ihn empfunden hatte. Eigentlich waren sie sich sogar ziemlich ähnlich, sein Vater und er, beide konnten sie ziemlich dickköpfig sein. Früher waren sie deswegen oft heftig aneinander geraten – sobald Deke damit begonnen hatte, seine eigenen Zukunftspläne zu schmieden.
    Deke war schon als Junge immer gern an der frischen Luft gewesen, er liebte die unendliche Weite des flachen Landes, die Pferde, das Vieh und die einfache kleine Kamera, die ihm seine Grandma geschenkt hatte. Durch die Kamera hatte er plötzlich einen ganz anderen Blickwinkel auf die Welt um ihn herum… und dadurch war ihm klar geworden, dass er nicht den Rest seines Lebens damit verbringen wollte, im Lebensmittelgeschäft seiner Familie zu arbeiten.
    Seinem Vater gefiel das ganz und gar nicht. Während Deke zur High School ging, häuften sich die Auseinandersetzungen. Als er dann aufs College kam, wurde es noch schlimmer. Den letzten Streit hatten sie dann vor fünfzehn Jahren, kurz nach Dekes CollegeAbschluss. Da hatte er seinem Vater offenbart, dass er nach Paris wollte, um dort Fotografie zu studieren. An diese Auseinandersetzung erinnerte sich Deke, als wäre sie erst gestern gewesen.
    Sie standen gerade beide im Lebensmittelgeschäft hinterm Fleischtresen, und Dekes Vater, John Malone, schnitt ein Stück Rindfleisch auf. Er starrte seinen Sohn fassungslos an und schüttelte den Kopf. Dann meinte er, Deke solle aufhören, dummes Zeug zu reden und sich lieber um den Rosenkohl kümmern.
    Für Deke war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er riss sich die Metzger schürze vom Leib und verließ das Geschäft. In derselben Nacht noch zog er von zu Hause aus. Er nahm einen Job nach dem anderen an und fotografierte, wann immer es ihm möglich war. Aber in seinem Elternhaus hatte er sich seither nicht mehr blicken lassen. Deke hatte auch kaum an seinen Vater gedacht – bis er Zack in den Armen hielt.
    Nun holten die Erinnerungen ihn ein. Dabei musste er nicht bloß an die unzähligen Streitereien denken, sondern auch an die schönen Dinge, die er früher mit seinem Vater erlebt hatte. Und immer wieder fragte sich Deke, wie es wohl wäre, ihn jetzt wiederzusehen.
    Zu seiner eigenen Überraschung hatte er schließlich die Einladung seiner Schwester Milly angenommen – mit der Auflage, dass sie niemandem von seinem Kommen erzählen sollte. Und nun war er tatsächlich auf dem Weg in seine Heimatstadt Livingston. Zack war in seinem Kindersitz eingeschlafen, also würde Deke ohne Pause durchfahren können, so dass sie ihr Ziel gerade vor Einbruch der Abenddämmerung erreichten. Und dann würde Deke seinem Vater das erste Mal seit fünfzehn Jahren gegenüberstehen. Als der verlorene Sohn, der nach Hause zurückgekehrt war.
    Das Haus sah immer noch so aus wie früher: ein altes eineinhalbstöckiges Gebäude mit Dachgiebeln, das im ersten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts erbaut worden war. Es war weiß gestrichen – für John Malone gab es keine andere Farbe – und hatte eine großflächige Veranda, die sich die ganze Vorderfront entlang zog.
    „Wir sind da, Kumpel“, verkündete Deke und hob Zack aus dem Kindersitz.
    Neugierig betrachtete der Junge das weiße Zeug, das auf dem Boden lag. In Santa Fe, wo sie wohnten, hatte es bisher erst zwei Mal kurz geschneit, aber hier in Livingston lag der Schnee schon über fünf Zentimeter hoch.
    Deke hob etwas von der weißen Masse auf und hielt sie Zack hin, so dass er sie berühren konnte. Der Junge wirkte erstaunt, weil sie so kalt war. Dann lachte er und steckte noch mal die Finger hinein. „Eis?“ fragte er hoffnungsvoll.
    Deke nickte. „Ja, aber nicht zum Essen. Das ist Schnee. Damit können wir zwei einen Schneemann bauen.“
    Verwirrt schaute Zack ihn an.
    „Ich zeig dir, wie das geht“, versprach Deke. Es war wunderschön, Vater zu sein: Er konnte alles noch einmal neu kennen lernen und genießen, wie sein Sohn über all die Dinge staunte. Am liebsten hätte er den Jungen jetzt sofort abgesetzt, um ihm einen Schneemann zu bauen. Aber das wäre bloß ein Versuch gewesen, das Unvermeidliche hinauszuzögern: die Begegnung mit seinem Vater.
    Langsam ging Deke die Treppe zur Haustür hoch.
    „Da!“ Zack zappelte immer heftiger in Dekes Armen, bis Deke bemerkte, dass er den Jungen viel zu fest umklammerte. Er lockerte den Griff und ließ Zack nun stattdessen auf seiner Hüfte sitzen.
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