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Drei sind einer zuviel

Drei sind einer zuviel

Titel: Drei sind einer zuviel
Autoren: Barbara Noack
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unsere erste große Fete!«
    Gegen fünf Uhr trank Benedikt sein zweites Bier,
während Karlchens Kopf auf Peters Schulter ruhte. Sie war nach den vielen
Vorbereitungen vor Erschöpfung eingeschlafen.
    Gegen sechs Uhr gingen die Hühner zu Bett. Gegen
sieben Uhr gaben sie die Hoffnung, daß ihre Gäste noch kommen würden, auf und
stopften lustlos Salate in sich hinein. Das beste Essen schmeckt nicht, wenn es
— weil leicht verderblich — gegessen werden muß, und das gleich schüsselweise.
    »Das war nun unser erstes Gartenfest —
vielleicht auch unser letztes gemeinsames! Ich hab’s mir anders vorgestellt«,
kaute Benedikt mit langen Zähnen.
    »Was
das alles gekostet hat«, brummte Peter. »Und wozu habe ich geputzt und
gescheuert?«
    »Schadet
ja nichts, wenn’s bei uns mal sauber ist.«
    »Wir wollen uns nicht mehr ärgern, daß keiner
gekommen ist«, ärgerte sich Karlchen. »Wir wollen jetzt richtig feiern. Benny,
stell die Kapelle an. Und bring bitte die rote Plastiktüte mit, da ist mein
Kinderalbum drin. Ich hab’s mal mitgebracht, ich dachte, es würde euch
interessieren.« Peter räumte die Schüsseln ab und zündete die Windlichter an.
    Karlchen klappte ihr Album auf.
    »Das hier sind meine Eltern auf ihrer Hochzeit.
Da war ich schon unterwegs. Meine Mutter war eine hübsche Frau, nicht wahr? Von
meinem Vater habe ich die Sommersprossen. Er war Tennistrainer. Das hier ist
das Clubhaus, und in dem Häuschen nebenan haben wir im ersten Stock gewohnt. —
Das ist Karlchen mit drei Monaten. Was jetzt kommt, ist alles Karlchen — hier
mit meiner Großmutter. Die hatte ich sehr lieb, und sie hätte mich bestimmt
genommen, wie meine Eltern verunglückt sind, aber damals war sie schon tot. —
Na und jetzt kommen die üblichen Fotos mit Schultüte und unserm ersten Dackel —
und hier in den Ferien. Wir fuhren ständig ins Gebirge. Meine Eltern waren
leidenschaftliche Bergsteiger. Ich spielte inzwischen mit den Kindern des
Bergführers. Ich weiß noch genau, wie sie eines Abends nicht wiederkamen — das
war am Dachstein — die Aufregung im Dorf — die Suchmannschaften — damals war
ich zehn. So richtig begriffen habe ich nicht, was eigentlich mit den Eltern
geschehen ist. Aber weil alle heulten, heulte ich mit. Dann kam Onkel Ernst und
holte mich ab.«
    Benedikt sah einmal hoch, um sich eine Zigarette
anzuzünden, und bemerkte Peters Gesicht im Schein des Windlichtes. Er schaute
nicht auf Karlchens durch die Erinnerungen führenden Zeigefinger, sondern auf
ihr Profil. Auf ihren Mund, ihre feine Nase, ihr Lächeln, ihre Sommersprossen,
ihr kleines Doppelkinn — schaute sie an, als ob er sie noch nie gesehen hätte —
interessiert, verwundert, bezaubert...
    Bennys Reaktion war Eifersucht: der hat sich
doch nicht etwa in sie verliebt?
    Karlchen merkte nichts davon. Erzählte und
blätterte und lachte und trank zwischendurch einen Schluck aus ihrem Glas und
schlug endlich ihr Album zu.
    »Wißt ihr was? Jetzt möchte ich tanzen.«
    Sie schüttelte die Schuhe ab. Das Gras war schon
feucht und kühl unter ihren Fußsohlen.
    Zuerst sah Benedikt zu, wie ihr Kopf beim Tanzen
an Peters Schulter lag, dann beobachtete Peter wachsam ihre Anschmiegsamkeit an
Benedikt. Er bemerkte, wie Benny ihr Haar küßte. Peter wußte inzwischen, daß
ihr Haar nach Heu duftete...
    Karlchen war ganz Hingabe an männliche
Schultern, an sentimentale Musik, an die weiche, kühle Nacht... und ganz
nüchtern war sie auch nicht mehr.
    Seltsame
Stimmung — aber schöööön — Dann hielt es Peter nicht mehr aus. Er stand auf und
schob sich in ihren Tanz. Nun bewegten sie sich zu dritt... die Arme auf den
Schultern des anderen...
    Was für ein spannungsgeladener Gleichklang, was
für eine herrliche Sinnlichkeit... Sinnlichkeit? Um Himmels willen, nicht
das!!! Oder endlich das — aber nein, das durfte ja nicht... Karlchens
Verwirrung war unbeschreiblich.
    Sie machte sich sanft von beiden frei. »Ich geh
schlafen — ich bin müde — gute Nacht.« Und verschwand im Hause, ohne sich noch
einmal umzusehen.
    Benedikt und Peter gingen an den Tisch zurück,
tranken ihre Gläser aus, schenkten nach, Benedikt rauchte eine Zigarette nach
der andern.
    »Ich trag jetzt das Zeug rein«, sagte Peter und
räumte Schüsseln und Platten auf ein großes Brett, das sie als Tablett
benutzten.
    Nun stand alles in der Küche herum. Der
Kühlschrank war viel zu klein.
    Benedikt legte Chopinsche Nocturnes auf. Peter
schaute ihm kopfschüttelnd dabei zu.
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