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Drei Hände Im Brunnen

Drei Hände Im Brunnen

Titel: Drei Hände Im Brunnen
Autoren: Lindsey Davis
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Hier war ich nun, konfrontiert mit einem verzweifelten Axtschwinger in einem nebligen Wald, hungrig, erschöpft, von meinen einzigen Helfern im Stich gelassen und dem Risiko ausgesetzt, meine unteren Gliedmaßen zu verlieren. Abartig, sich so seinen Lebensunterhalt zu verdienen!
     
    Ich zerrte an dem Ast, und diesmal brach er ab. Er war dick genug, um einen Axthieb abzufangen. Und noch besser war, dass er sich am vorderen Ende in viele kleine Ästchen verzweigte, die voller Blätter waren. Als Thurius das nächste Mal ausholte, wich ich der schimmernden Schneide aus. Dann sprang ich auf ihn zu und stieß ihm das Astgewirr direkt ins Gesicht. Er stolperte rückwärts, taumelte, verlor an Boden. Ich drängte weiter, versuchte mit dem Ast seine Augen zu treffen. Er drehte sich um und rannte weg. Ich folgte ihm, aber der Ast verhakte sich im Unterholz, und ich verlor den Halt. Ich ließ ihn los und lief weiter.
     
    Thurius preschte immer noch auf den Pfad zu. Ich brach seitlich aus, um ihm den Weg abzuschneiden. Krachend kämpften wir uns durch das Gebüsch. Ein Fuchs sprang plötzlich aus seinem Versteck und hastete davon. Ein Eichelhäher flatterte mit schweren Flügelschlägen und einem rauen Schrei auf. Wieder dachte ich, Hufgetrappel zu hören, diesmal näher. Das Atmen tat weh. Schweiß lief mir aus allen Poren. Meine schmerzenden Beine trugen mich kaum noch vorwärts. Trotzdem hatte ich bereits aufgeholt, als Thurius den Pfad erreichte. Dann rutschte mein Fuß auf einem Pilzbüschel aus und versank in einem Loch, was mich einen Schrei ausstoßen ließ. Ich fiel zwar nicht, aber mein Stiefel knickte unter mir weg. Es gelang mir, den Fuß freizubekommen und hinter Thurius herzuhumpeln, nachdem ich noch mal in dem zertretenen, schleimigen Pilzbrei ausgerutscht war. Thurius war kurz stehen geblieben und hatte sich nach mir umgeschaut, rannte aber dann auf dem Pfad weiter.
     
    Ohne auf den Schmerz in meinem Knöchel zu achten, hoppelte ich mit letzter Anstrengung hinter ihm her. Ein verknackter Knöchel heilt von selbst, aber er braucht Zeit dazu. Und ich hatte keine Zeit. Meine Kraft würde jeden Augenblick nachlassen. Doch zuerst musste ich ihn erwischen, wenn ich konnte.
     
    Ich hörte ein Pferd wiehern. Mir wurde ganz schlecht bei der Vorstellung, dass er irgendwo ein Reittier angebunden hatte. Dann warf Thurius die Arme hoch. Pferd und Reiter brachen auf der gegenüberliegenden Seite aus dem Wald und galoppierten direkt auf ihn zu.
     
    Er konnte nicht anhalten. Er stolperte und verlor seine Axt. Das Pferd bäumte sich über ihm auf, wurde aber zurückgerissen. Thurius wankte, war immer noch auf den Füßen und nach wie vor zur Flucht entschlossen. Er ruderte mit den Armen, wich den Pferdehufen aus und stürzte weiter den Pfad entlang. Ich rannte, so schnell ich konnte, vorbei an dem Pferd, dessen Reiter, den ich erkannt hatte, es zur Seite zerrte, um mir Platz zu machen. Dann holte ich Thurius ein und warf mich auf ihn.
     
    Mit dem Gesicht voran drückte ich ihn in die modrigen Blätter. So wütend, wie ich war, hatte er keine Chance gegen mich. Ich ließ mich auf seinen Rücken fallen und machte mich dabei so schwer wie möglich. Ich riss ihm die Arme nach hinten und befahl ihm aufzugeben. Er wehrte sich immer noch, ruckte zur Seite, trat mit den Füßen. Ich zerrte ihn hoch und stieß ihn mit dem Gesicht voran wieder zu Boden. Inzwischen war der Reiter abgestiegen und kam angerannt. Im nächsten Moment trat mein wütender Helfer ihm so hart in die Rippen, als wollte er ihn umbringen.
     
    »Aufhören!«, brüllte ich und wich den tretenden Stiefeln aus. Das brachte sie beide zur Besinnung. Thurius lag endlich still, das Gesicht in die Fahrrillen des Pfades gedrückt.
     
    Ich blieb auf dem Rücken meines Gefangenen sitzen und bemühte mich, wieder zu Atem zu kommen. »Gut reagiert«, keuchte ich und sah zu dem anderen hoch.
     
    »Grundtraining«, erwiderte er.
     
    »Ja, das verlernt man nie.« Mir gelang ein Grinsen, obwohl es mich einige Mühe kostete. »Sie könnten wohl nicht in Erwägung ziehen, die Statthalterschaft von Britannien in den Wind zu schlagen und mit mir eine formelle Partnerschaft einzugehen?«
     
    Julius Frontinus – Soldat, Magistrat, Administrator, Autor und zukünftiger Experte der Wasserversorgung – lächelte bescheiden. Ein Ausdruck aufrichtigen Bedauerns huschte über sein Gesicht. »Das dürfte eine der großen geschichtlichen Fragen des ›Was wäre, wenn?‹ werden,
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