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Drei Hände Im Brunnen

Drei Hände Im Brunnen

Titel: Drei Hände Im Brunnen
Autoren: Lindsey Davis
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wieder in das Dickicht hineinstürzte, aus dem er Sekunden davor gekommen sein musste, ohne zu wissen, dass ich dort war. Falls es jemand anders als Thurius war, hatte er keinen Grund zu fliehen. Ich brüllte und zwang meine müden Glieder, hinter ihm herzujagen.
     
    Er musste besser ausgeruht sein als ich, aber er war vielleicht nicht so fit. Ich hoffte, dass die Haussklaven mir helfen würden, seine Flucht zu vereiteln, wurde aber enttäuscht. Sie schienen alle zum Frühstück nach Hause geschlichen zu sein, meinen Befehl ignorierend, an Ort und Stelle zu bleiben. Keiner antwortete auf meine Rufe, und als wir durch den Wald rannten, stellte sich uns niemand in den Weg.
     
    Alles war still. Ich hatte ihn irgendwo verloren.
     
    »Thurius! Das Spiel ist aus. Zeig dich, und mach der Sache ein Ende!«
     
    Keine Antwort. Es war ihm nicht zu verdenken. Ich war ein Fremder, und er kannte jeden Fußbreit des Geländes. Er musste das sichere Gefühl haben, mir entwischen zu können.
     
    Er war vor mir losgerannt in Richtung des Pfades, der aus dem Grundstück hinausführte. Ich dachte, ich würde Hufgetrappel hören. Vor mir tauchte ein Bild von Thurius auf, der auf einem Pferd nach Sublaqueum floh …
     
    Im Haus konnte er sich nicht verkriechen. Ihm musste klar sein, dass seine Mitsklaven nur darauf aus waren, ihre Unschuld unter Beweis zu stellen und es ihm heimzuzahlen, dass er sie so getäuscht hatte. Diejenigen, die sein seltsames Verhalten seit Jahren ignoriert hatten, würden ihn jetzt nur allzu rasch denunzieren – und wenn sie zu Gewalttätigkeit neigten, wäre es nicht das erste Mal, dass ein frisch überführter Mörder von den Menschen zu Tode geprügelt wurde, mit denen er jahrelang zusammengelebt hatte.
     
    Ich kroch durch die Büsche in Richtung des Pfades. Meine Aufmerksamkeit war auf einen Holzstapel gerichtet, hinter dem sich ein lauernder Mann gut verstecken konnte. Als ich mich vorsichtig näherte, stürzte er fast direkt vor meiner Nase aus dem Unterholz.
     
    Ich sprang auf und versetzte ihm einen gewaltigen Schreck. Er hatte gemeint, entkommen zu sein, und nicht gemerkt, dass ich ihm bereits so nahe war. Bevor ich mich auf ihn werfen konnte, sah ich, dass das viel zu gefährlich war. Er war jetzt mit einer langstieligen Axt bewaffnet.
     
    Einen Moment lang schaute er genau so verdutzt wie ich, dann überwog seine Wut. Er kam näher, knurrte und schwang seine Waffe.
     
    »Gib auf, Thurius!«
     
    Die Klinge schnitt tief durch die Luft, zielte auf meine Knie. Ich wich rasch hinter einen Baum aus und hoffte, die Axtschneide würde sich in den Stamm bohren. Er schnaubte und holte wieder aus, diesmal in Kopfhöhe. Der kleine Dolch in meinem Stiefel hätte mir gegen diese Waffe nichts genützt. Ich griff gar nicht erst danach.
     
    Er sah genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte – völlig unauffällig. Ungepflegt, schlecht gekleidet, den Mund voller Zahnlücken. Der typische Sklave vom Land. Nicht verrückter als die meisten Passanten in den Straßen von Rom. Man würde vermeiden, ihn anzurempeln, aber ihn dann prompt wieder vergessen. Wäre ich spätabends unterwegs und er hätte mir beiläufig angeboten, mich in seinem Karren mitzunehmen, hätte ich vielleicht sogar eingewilligt.
     
    »Ich bin nicht allein. Die Stadtkohorten müssen jeden Moment hier sein. Gib endlich auf.«
     
    Seine einzige Antwort war ein weiterer wütender Axthieb, der die Zweige über meinem Kopf traf, sofort gefolgt von einem tiefer angesetzten Hieb aus der anderen Richtung. In der Armee hatte man uns beigebracht, uns gegen die auf gleiche Weise mit ihren Breitschwertern kämpfenden Kelten zu wehren – aber als Soldat hatte ich eine Rüstung gehabt und eigene Waffen, ganz zu schweigen von den Reihen wütend knurrender Kameraden, die rechts und links von mir undurchdringliche Blöcke bildeten.
     
    Ich trat auf ihn zu. Licht blitzte auf; wieder schwang er die Axt. Ich sprang hoch wie ein kretischer Tänzer, die Hacken am Hintern, und rettete meine Beine. Im Sprung griff ich nach einem Ast, landete sicher und huschte hinter den Baum. Es gelang mir, den Ast halb abzubrechen, aber lange Streifen grüner Rinde hielten ihn fest. Nutzlos.
     
    Gute Götter, das hier war der Alptraum jedes Jungen aus der Stadt! Ich wollte mich auf anständigem Straßenpflaster bewegen, wo die Verbrecher sich an festgelegte Regeln schlechten Benehmens hielten und ich in einer Weinschenke verschwinden konnte, wenn die Sache zu heiß wurde.
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