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Dracyr – Das Herz der Schatten

Dracyr – Das Herz der Schatten

Titel: Dracyr – Das Herz der Schatten
Autoren: Susanne Gerdom , Susanne
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geknechtete, geschundene Volk, Rache für die Ermordeten, Gefolterten, Gefangenen, und sie, Karolyn Devrillan, war diejenige, der alle danken würden. Oder auch nicht, sie hätte es vorgezogen, bescheiden im Schatten zu bleiben und die Früchte ihres Tuns nur wie eine stolze Mutter zu beobachten, die die ersten Schritte ihres Kindes liebevoll aus der Entfernung betrachtet.
    Aber nun hatte sie ihrem Todfeind Auge in Auge gegenübergestanden und ihr Herz hatte für Sekunden aufgehört zu schlagen. Sie fühlte sich so schwach wie ein Säugling. Wie sollte es ihr gelingen, dieses Massiv von einem Mann, dieses geradezu urzeitlich-granitene Gebilde aus Macht, schierer Körperkraft und Willensstärke zu besiegen?
    Bertha riss sie aus ihren Grübeleien. » Wir fangen hier an « , sagte sie und schob Kay durch eine der vielen schweren Eichentüren in ein düsteres Schlafgemach. Dicke Teppiche und Wandbehänge milderten die Kälte, die von den Mauern abstrahlte, ein Kaminfeuer sorgte für ein wenig Wärme, wenn man dicht davor stand. Das Bett war breit, aber einfach, die Möblierung spärlich.
    Kay ließ sich von Bertha unterweisen, und während sie unter den kritischen Blicken des Hausmädchens das Bett aufschüttelte, fragte sie: » Wer wohnt hier? Das ist doch keine Bedienstetenkammer? « Aber es sah auch nicht nach einem herrschaftlichen Gemach aus.
    Bertha zog das Laken straff und nickte beifällig. » Nein, dies hier ist der Trakt der Zöglinge seiner Lordschaft « , erklärte sie und kniete vor dem Kamin nieder, um Holz nachzulegen. » Bis zum Sommer wird der Kamin befeuert « , sagte sie. » Die Zöglinge ziehen sich tagsüber zur Kontemplation in ihre Kammern zurück, deshalb muss es hier immer warm sein. «
    Â» Warm « , murmelte Kay und schauderte. » Woher weiß ich, ob ich jemanden störe? «
    Â» Die Tür ist dann verschlossen. « Bertha nickte zu dem großen Henkelkorb hin, den sie neben der Tür abgestellt hatte. » Staubwischen. «
    Sie arbeiteten schweigend und schnell. » Zöglinge « , sagte Kay, nachdem Bertha zufrieden genickt und ihre Utensilien wieder verstaut hatte. » Was heißt das? Sind es Mündel seiner Lordschaft? « Sie griff nach dem zweiten Henkel des Korbes und folgte Bertha ins angrenzende Zimmer, das ähnlich düster und genauso ausgestattet war wie das erste. Ohne weitere Anweisungen machte sie sich daran, das Bett zu richten, dessen Kissen und Laken zerwühlt und zusammengeknäult am Fußende aufgehäuft lagen. Ein unruhiger Schläfer schien hier zu wohnen.
    Bertha antwortete erst eine ganze Weile später, als sie das Zimmer fertig aufgeräumt hatten. Kay hatte schon fast vergessen, dass sie gefragt hatte. Bertha stützte die Hände in die Hüften, pustete eine Strähne aus ihrer Stirn und sah sich um.
    Â» Ich weiß nicht, woher die Zöglinge kommen « , sagte sie. » Es sind Mädchen und Jungen in deinem Alter, denke ich. Allerdings von feiner Herkunft, keine Bauerntrampel oder Stalljungen. « Sie grinste schief. » Sie werden hier erzogen. Sie lernen. Was auch immer, ich habe keine Ahnung und es geht mich auch nichts an. Wir werden gleich auch noch die Gemächer der Erzieher aufräumen. « Sie klatschte in die Hände. » Auf, auf. Der Tag ist schnell vorüber und es ist noch viel Arbeit zu tun. «
    Die nächste Schlafkammer war übersät mit Kleidungsstücken, Büchern und persönlichen Gegenständen. Bertha seufzte und zuckte die Achseln. » Das gnädige Fräulein zählt nicht zu den Ordentlichsten… «

    Gegen Mittag saßen sie in einer Fensternische, aßen ihren Imbiss, den die Köchin ihnen eingepackt hatte, und tranken kalten Tee dazu. Bertha erklärte Kay kauend die komplizierten Hierarchien und Strukturen, die auch innerhalb der Dienerschaft bestanden. Kay lauschte mit steigender Verwirrung und entschied, das alles jetzt und hier nicht begreifen zu müssen. Nach ein paar Minuten packte Bertha ihren Becher in den Korb, streckte sich und verkündete: » Jetzt ist der Unterrichtsraum an der Reihe. Auf die Füße, Karolyn. «
    Â» Kay « , sagte Kay, und Bertha schenkte ihr ein Lächeln.
    Der Unterrichtsraum war weniger aufwendig zu reinigen als die Schlafkammern. Kay hatte sich inzwischen an den Rhythmus gewöhnt und die Arbeit ging ihr leichter von der
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