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Dracyr – Das Herz der Schatten

Dracyr – Das Herz der Schatten

Titel: Dracyr – Das Herz der Schatten
Autoren: Susanne Gerdom , Susanne
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zulassen, sie hatte eine Mission, eine Aufgabe, die es zu erfüllen galt. Der Gedanke half ihr, sich zu fassen und sich weniger klein und ängstlich zu fühlen.
    Schritte wisperten über den Steinboden, Stuhlbeine scharrten, Stoff schabte über Stoff, Papier raschelte. Jemand schien es sich gemütlich zu machen. Kay seufzte und nagte an ihrem Daumennagel. Wenn sie jetzt aufstand, würde es schwerfallen zu erklären, was sie hier trieb. Also musste sie sich weiter still verhalten und warten. Was für eine dumme Situation!
    Sie lehnte sich gegen die raue Steinwand und suchte nach einer halbwegs bequemen Position für ihre Beine, die einzuschlafen drohten. Sie verrenkte sich den Hals bei dem Versuch, einen Blick auf denjenigen zu erhaschen, der sie in diese Zwangslage brachte, aber zwischen ihr und dem Rascheln und gelegentlichen Knarren des Sessels oder Stuhls stand die undurchdringliche Wand eines großen Ohrensessels, gleichzeitig Schutz und Gefängnismauer.
    Die Zeit verging im Schneckentempo. Kay wagte es, ein Bein lang auszustrecken und gegen die Rückwand zu stemmen, und knetete ihre Wade, die zu verkrampfen begann. Wie lange wollte dieser Mensch noch dort herumsitzen und lesen? Hatte er nichts Besseres zu tun?
    Wieder scharrten Stuhlbeine, etwas rumpelte zu Boden. Eine Stimme murmelte einen unterdrückten Fluch. Kay wagte nicht, sich zu rühren. Dann hörte sie, wie sich die Tür öffnete, und wollte gerade aus ihrem Versteck kriechen, als eine Stimme sie innehalten ließ.
    Â» Sind wir etwa zu spät? Du hattest doch gesagt, dass wir uns erst nach dem Fechtunterricht treffen. «
    Etwas klirrte gegen Stein. » Pass doch auf « , schimpfte eine Frauenstimme. » Du hättest mich beinahe aufgespießt. «
    Â» Der alte Cornel hat uns ganz schön herumgescheucht. « Wieder eine neue Stimme. Wie viele waren denn da nur hereingekommen?
    Â» Was ist es hier so kalt? Das Personal hat wohl wieder vergessen, Feuer zu machen « , beschwerte sich eine Mädchenstimme.
    Kay unterdrückte das Stöhnen, das in ihr aufstieg, und fing hastig einen Scheit auf, den sie mit einem Zucken ihres einschlafenden Fußes von seinem Stapel gestoßen hatte. Das Scharren und das dumpfe Geräusch, mit dem das schwere Holzstück gegen die Rückwand des Kamins und dann in ihre Hände plumpste, erschien ihr so laut wie ein Donnerhall, und auch die Stimmen im Zimmer verstummten für einen Moment.
    Â» Ratten « , sagte jemand träge. » Eklige Viecher, sie kriechen hier überall durch die Mauern. «
    Â» Wieso hast du die Fechtstunde geschwänzt? « , fragte der erste Sprecher. » Cornel hat nach dir gefragt. « Metall klirrte gegen Metall.
    Â» Lasst uns hinübergehen. « Die Stimme musste einem jungen Mann gehören, der bisher geschwiegen hatte. Seine Stimme war leise, aber sie klang befehlsgewohnt. » Ich brauche ein Buch für unsere Stunde, das dort stehen muss. «
    Das Durcheinander von Stimmen und Gelächter verlagerte sich auf den Gang, die Tür schlug zu und schnitt alle Geräusche von draußen ab.
    Kay wartete noch einen Augenblick, aber als es im Raum ruhig blieb, schob sie sich aus ihrem Versteck, streckte ächzend ihren Rücken und beugte sich dann hinab, um das Feuer anzuzünden. Sie trieb mit geübtem Schwung den Kolben in seine Röhre, zog den brennenden Zunderschwamm heraus und hielt ihn an die losen Späne. Dann wartete sie eine Weile, bis das Feuer die ersten größeren Holzstücke erfasst hatte, und wandte sich vom Kamin ab, um das Zimmer endlich zu verlassen. Mit einem Schrei ließ sie ihren Korb fallen.
    In dem großen Ohrensessel, der sie vor dem Zimmer abgeschirmt hatte, saß ein junger Mann und sah sie reglos an. Er hatte ein Rapier quer über seinen Knien liegen, seine Hand umschloss locker dessen Heft, der Zeigefinger der anderen lag in einer nachdenklichen Geste an seinen Lippen.
    Â» Oh « , sagte Kay und machte einen Schritt zurück. » Ich bitte um Verzeihung. « Sie vollführte hastig einen Knicks.
    Der junge Mann musterte sie wortlos. Seine Augen hatten die Farbe eines kalten Wintermorgens, ein schimmerndes, helles Silbergrau, von schwarzen Wimpern gekränzt und von ebensolchen Brauen überschattet. In krassem Gegensatz dazu stand sein Haar, das ihm offen und glatt auf die Schultern fiel, es war hell wie frisch gefallener Schnee, nicht weißblond,
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