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Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Titel: Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)
Autoren: Alice Alderwood
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Wache, mochte sie nicht gehen lassen. Zunächst war ihm die Leibmagd der Königstochter nur ein angenehmer Zeitvertreib gewesen, aber mit jeder Nacht, in der er in Geruns süße Tiefen tauchte, spürte er, dass ihn mehr an dieses junge Ding fesselte als purer Mannestrieb. Aber davon ahnte Janica nichts. Die Prinzessin zupfte nervös an dem Überwurf, den Gerun ihr über die Schultern legte.
    »Bei allen Göttern, was bin ich aufgeregt!«, seufzte sie und strich über das weiche Hermelinfell des Kragens.
    »Wenn man nicht selbst als Drachensuppe im Lostopf schwimmt, kann man getrost kribbelig sein!«, murmelte Gerun und griff nach ihrer Loshülse.
    »Was hast du gesagt?« Janica sah sich irritiert zu ihrer Zofe um. Gerun kniff ihre Lippen zusammen und deutete einen Knicks an.
    »Nichts, Herrin! Ich meinte nur, dass heute ein ungewöhnlich kalter Wind von den Bergen herein weht. Das Pelzcape wird Euch gute Dienste leisten!«
    »Hm? Ich weiß nicht recht! Passt das weiße Fell zu dem blauen Stoff?  Oder sollte ich lieber den schwarzen Otterkragen wählen?« Janica drehte sich vor dem Spiegel ein wenig hin und her. Ein Goldreif bändigte ihre widerborstigen Locken. Gerun hatte der Prinzessin die Wimpern geschwärzt, damit das Leuchten der katzengrünen Augen Janicas ordentlich zur Geltung kam.
    »Herrin, wir haben keine Zeit mehr! Das Signalhorn tönte bereits zum ersten Mal!« Die Leibmagd seufzte leise, sehr leise, aber Janica hörte es trotzdem.
    »Ja doch, Gerun, dann lass uns nach unten gehen!« Janica schritt rasch aus, und Gerun stolperte mit hängenden Schultern hinterdrein. Unten im Schlosshof drängten sich schon hunderte junger Mädchen aneinander. Sie alle hatten schon ihre Lose in den riesigen Bottich geworfen, der mittels einer komplizierten Konstruktion, die das mächtige Fass schräg auf einer Achse drehte, als Lostrommel fungierte. Ein müder Ochse tappte im Kreis um das Konstrukt herum und hielt das Gefäß in drehender Bewegung. Die Loshülsen im Inneren klapperten und raschelten, und immer wieder wurden junge Frauen von den Wachen durch die Wartenden geführt, manche auch mehr oder minder getragen, damit sie auf das Podest vor dem rotierenden Bottich klettern und ihr Los einwerfen konnten.
     
    Gerun begleitete Janica noch bis zum Fuß der Tribüne, die für die königliche Familie errichtet worden war und übergab dort die Prinzessin den ältlichen Hofdamen. Dann eilte die Zofe zu dem Schreiber, der am Fuße der Lostrommel über einer langen Liste hockte und ließ ihren Namen abstreichen. Die Hülse rasselte hohl, als Gerun sie unter den wachsamen Augen des Zeremonienmeisters in den Bottich zu all den anderen Losen warf. Als einer der Wachsoldaten nach ihrem Arm greifen wollte, um sie an ihren Platz inmitten der anderen jungen Frauen des Reiches zu führen, schüttelte sie seine Hand trotzig ab und schritt mit erhobenem Kopf zwischen all die Küchenmädchen, Wäscherinnen und Mägde des Palastes, die mit bangen Blicken den rappelnden Lostopf betrachteten.
    Janica wurde inzwischen von den Hofdamen zu ihrem Platz geführt. Wie es sich gehörte, neigte sie ihren Kopf vor Ferinic, ihrem älteren Bruder und Thronfolger. Der König lächelte ihr entgegen, und Janica sank vor Fernek, dem Herrscher des Westlichen Reiches, in einem tiefen Knicks zusammen.
    »So erhebe dich doch, Tochter!« Er reichte ihr die Hand, das Zeichen für Janica, dass sie sich aufrichten durfte.
    »Herr Vater!«, hauchte sie artig und nahm ihren Platz auf dem Sessel zwischen Vater und Bruder ein. Diese offiziellen Anlässe machten Janica immer sehr traurig. Auf diesem Sessel hatte früher ihre Mutter gesessen, bevor die Königin vor fünf Jahren an einem bösen Fieber gestorben war. Nervös richtete sie ihre Röcke und sah hinunter in den Schlosshof. Der Ochse tappte nach wie vor träge im Kreis, die Lostrommel drehte sich. Die Wachen führten noch immer junge Frauen auf das Podest, damit sie ihre Lose einwerfen konnten. Dicht an Dicht drängten sich die Jungfern, das potenzielle Drachenfutter. Ein Trompeter auf den Zinnen oben ließ das Horn erneut tönen.
    Das Raunen und Wispern auf dem Schlosshof verstummte. Nur das Schnaufen des Ochsen und das Rasseln der Hülsen im Lostopf durchdrang die Stille. Fernek, der Herrscher, erhob sich würdevoll.
    »Töchter meines geliebten Volkes!«, dröhnte seine dunkle Stimme kraftvoll über all die Mädchen. »Ihr alle steht hier, um unserem Land den Frieden für das nächste Erntejahr zu
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