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Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat

Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat

Titel: Drachenschwester 02 - Eltanins Verrat
Autoren: Licia Troisi
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der schuppigen Haut festhalten, um nicht fortgeschleudert zu werden. In panischer Verzweiflung schrie sie auf, doch aus ihrem Mund kam kein Laut.
    Zwei rot schimmernde Wunden klafften in den Flanken der gigantischen Schlange, der nun riesige Flügel wuchsen. Beängstigend lange scharfe Krallen bohrten sich in die Quader der Gebäude und erzeugten ein unerträgliches Kreischen.
    Jetzt wandte sich das Ungeheuer zu ihr um, doch Sofia brauchte sein Gesicht nicht zu sehen, um zu wissen, wer das war. Das hatte sie seit dem Moment gewusst, als sie sich an diesem gespenstischen Ort wiedergefunden hatte, seit dem ersten dumpfen Vibrieren unter ihren Füßen. Es war der ewige Feind, der Verräter, das Böse schlechthin: Nidhoggr.
    Sein Kopf war ungeheuer groß und seine glutroten Augen strahlten eine beispiellose Grausamkeit aus. Sofia erschauderte. Sie spürte, dass ihr vor Angst große Tränen über die Wangen liefen, und hatte nur noch einen Gedanken: Weg hier! Aber wohin? Wohin sollte sie fliehen? Es gab nichts mehr außer ihm, diesem allgegenwärtigen Ungeheuer.
    »So war es, und so wird es immer sein«, hörte sie seine entsetzliche, dröhnende Stimme. »Warst du wirklich so verrückt zu glauben, du könntest mir entkommen, nur weil du ein einziges Mal so einen kleinen erbärmlichen Sieg über meine Schergen errungen hast. Da irrst du dich gewaltig! Du und ich, wir sind für immer aneinandergekettet, bis in alle Ewigkeit. Und das weißt du auch. Dies ist unser beider Schicksal, und bald werden wir erneut aufeinander treffen.«
    Er riss das Maul ganz weit auf, sein Rachen war rot von Blut und die Hitze seines Atems unerträglich.
    Wieder wollte Sofia schreien, und wieder kam kein Laut aus ihrem Mund. Es war zu spät, langsam schloss sich das gigantische Maul über ihr, während messerscharfe Reißzähne ihrem Fleisch immer näher kamen. Erst jetzt entrang sich ein unmenschlicher und entsetzlicher Schrei ihrer Kehle.

    Sofia schrak auf und war schlagartig wach. Alle Sinne setzten ein, und sie spürte, wie kalt ihr geworden war und dass ihr der schweißnasse Schlafanzug am Körper klebte. Der Raum um sie herum lag in einem schummrigen Halbschatten. Es war Morgen. Ihr Blick fiel auf die Bettdecke, dann auf die Neonröhre an der niedrigen Decke über ihr, die zugezogenen Gardinen vor dem Fensterchen, die gemütliche Einrichtung des Wohnwagens, in dem sie seit fast einem Monat lebte. Und auf Lidja.
    »Alles in Ordnung?« Die Freundin schien besorgt.
    Sofia brauchte einen Moment, bevor sie antworten konnte. »Ja«, sagte sie dann, »ich glaube schon. Es war wohl ein Albtraum.«
    »Du hast geschrien, und deshalb …«
    Plötzlich legte sich eine große Verlegenheit über die beiden.
    Sofia war immer noch wütend. Krampfhaft versuchte sie, nicht an ihren peinlichen Auftritt vom Vorabend zu denken, und das, was danach passiert war.
    Sie konnte es immer noch nicht fassen: Da war Lidja mit einem strahlenden Lächeln zu ihr in die Garderobe gekommen und hatte ihr Komplimente gemacht. Wofür denn nur? Für ihren eleganten Hechtsprung in die Torten?
    Aber der hatte sie was erzählt, und das ordentlich. Vielleicht war sie dabei sogar etwas zu weit gegangen.
    Auf jeden Fall hatte sie immer noch keine Lust, wieder Frieden zu schließen. Und außerdem schien Lidja sogar noch verärgerter zu sein als sie selbst.
    »Jetzt komm schon. Tante Alma hat Frühstück gemacht. Es gibt Halva.«

    In null Komma nichts hatte Sofia sich angezogen und gewaschen. Gefrühstückt wurde normalerweise gemeinsam in der Zirkusmanege, um einen großen Tisch herum, der morgens und auch zum Mittag- und Abendessen aufgebaut wurde. Die Sache an sich missfiel ihr nicht: Während der Mahlzeiten herrschte immer eine unbeschwerte Atmosphäre, nicht zuletzt, weil die Zirkusleute, wie Sofia zugeben musste, alle ziemlich sympathisch waren. Da war Marcus, der Tierbändiger, ein großer, breit gebauter Mann, ein richtiger Bulle, der von einem dieser Zirkusplakate aus früheren Zeiten zu stammen schien. Er hätte auch ein guter Conférencier sein können, der die einzelnen Nummern ansagte. Aber er kümmerte sich lieber nur um seine Orsola, eine Elefantenkuh, die bei einer anderen Blamage Sofias, an dem Tag, als sie Lidja kennengelernt hatte, eine Hauptrolle gespielt hatte. Damals hatte der Professor sie bei einem Zirkusbesuch gedrängt, sich auf dem Elefanten fotografieren zu lassen, wobei sie sich wieder einmal gründlich lächerlich gemacht hatte. Zwar schaffte sie es
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