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Drachenschiffe vor Vinland

Drachenschiffe vor Vinland

Titel: Drachenschiffe vor Vinland
Autoren: Alfred Bekker
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Besonders interessiert waren sie zum Beispiel an den Metallwerkzeugen und Waffen der Wikinger. Aber auch die blonden Haare wurden sehr bewundert, bis Thorfinn irgendwann seine Frau überredet hatte und sie ihren langen blonden Zopf gegen ein ganzes Bärenfell eintauschte.
    Wenn die Skrälinger kamen, versammelten sich meist alle Bewohner der Wikingersiedlung, denn die Besuche waren immer eine willkommene Abwechslung zur täglichen Arbeit.
    Einar war enttäuscht, dass Keh-Doh kein einziges Mal mitgekommen war. Als wieder einmal ein Trupp Skrälinger ins Lager kam, nahm er sich ein Herz und sprach einen der Männer an: »Keh-Doh? Warum ist er nicht hier?«
    Der Skrälinger-Krieger schüttelte den Kopf. Erschien nicht zu verstehen. Einar probierte es noch einmal und fragte wieder nach Keh-Doh. Nach einigem Hin und Her schienen die Männer zu begreifen, was er wollte. Sie nickten Einar zu und antworteten etwas, wovon Einar so gut wie nichts verstehen konnte.

    Als dann das nächste Mal Skrälinger nach Thorfinnsgard kamen, war auch Keh-Doh dabei. Einar freute sich sehr, ihn wiederzusehen. Während die Erwachsenen miteinander handelten, liefen die beiden Jungen zum Strand, wo die Schiffe der Wikinger lagen. Keh-Doh malte mit seinem Finger eine Linie in den feuchten Sand. Daneben malte er einige Bäume.
    »Du meinst den Bach, an dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind?«
    »Ja«, sagte Keh-Doh – denn das war eines der wenigen Worte in der Sprache der Wikinger, die er schon kannte. Auch wenn er nicht jedes Wort von Einar verstanden haben konnte, hatte er wohl den Eindruck, dass Einar begriff, was er meinte. Mit Daumen und Zeigefinger machte er die Bewegung von Beinen beim Laufen nach.
    »Wir könnten uns dort mal wieder treffen«, stimmte Einar zu und machte mit seinen Fingern dieselbeBewegung. Von nun an trafen sich Einar und Keh-Doh häufig bei den großen Bäumen am Bach.
     
    Bei einem ihrer gemeinsamen Streifzüge kamen sie wieder einmal zu der Lichtung, auf der der Pfahl mit den Geistergesichtern gelegen hatte und die Wikinger von den Skrälingern mit Pfeilen beschossen worden waren.
    Inzwischen hatten offenbar Krieger der Skrälinger den Pfahl wieder aufgestellt und ihn mit dem spitzen unteren Ende fest in den Boden gerammt.
    Einar näherte sich dem Pfahl etwas zögernd. Er dachte an das, was seine Mutter über die Götter der Skrälinger gesagt hatte. Vielleicht waren sie ja doch nicht wirkungslos, wie Sigrun meinte?
    Keh-Doh deutete auf den Pfahl. Dann nahm er einen der Pfeile, die er in seinem Köcher hatte, und tat so, als würde er getroffen und sterben.
    »Du meinst, in diesen Pfählen leben die Geister von Toten?«, fragte Einar etwas verwirrt.
    Keh-Doh deutete noch einmal auf den Pfahl.
    »Nicht Fuß«, sagte er laut und deutlich. Dann machte er eine Handbewegung, die an einen fliegenden Vogel erinnerte.
    »Klar, Geister schweben«, sagte Einar.
    »Nicht Fuß!«, wiederholte Keh-Doh.
    »Du hast gedacht, dass ich ein Totengeist sein könnte, weil du meine Füße nicht sehen konntest, und wolltest dich vergewissern?« Einar atmete tief durch. »Darauf muss man auch erst mal kommen.«
    Andererseits, so überlegte Einar, waren Keh-Doh die blonden Haare und die helle Haut wahrscheinlich sehr seltsam vorgekommen, da es so etwas bei den Skrälingern ja nicht gab.
    »Und ich habe dich zu Anfang für einen Vogelmenschen gehalten – wegen der Feder«, sagte Einar und deutete auf die Feder in Keh-Dohs Haar.
     
    Weitere Wochen und Monate vergingen und die Blätter an den Bäumen fingen bereits an, braun zu werden. Es wurde Herbst und bald leuchteten die Wälder in Braun, Gelb und Rot.
    Inzwischen hatten Keh-Doh und Einar eine ganze Reihe von Wörtern aus der Sprache des anderen gelernt und konnten sich schon ganz gut unterhalten. Einar hatte mittlerweile auch Keh-Dohs Schwester kennengelernt, die schon ein paar Jahre älter war. So alt, dass sie bald heiraten würde.
    »Ich finde gut, dass Schwester bald Mann hat«, sagte er. »Nicht mehr bei uns im Zelt wohnen.«
    »Wird sie dir nicht fehlen?«
    »Nein.«
    »Wieso nicht?«
    »Große Schwester immer bestimmen. Jetzt – soll eigene Kinder bekommen.«
    Einar erzählte Keh-Doh von seiner Schwester und davon, dass er es immer gut gefunden hatte, dass Freya genauso alt war wie er. So konnte er alles mit ihr besprechen. Es dauerte ein bisschen, aber schließlich konnte Einar seinem Freund sogar klarmachen, dass Freya und er Zwillinge waren und was genau das
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