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Drachenreiter

Titel: Drachenreiter
Autoren: Cornelia Funke
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verschwinden.
    Schwefelfell warf dem Jungen einen misstrauischen Blick zu. Sie lief zur Luke und guckte hinaus. »Zeit, diese Ratte zu suchen«, sagte sie. »Kannst du Menschlein mir sagen, wo die Hafenspeicher stehen?«
    Ben nickte. »Keine zehn Minuten zu Fuß von hier. Aber wie willst du da hinkommen, ohne dass sie dich ausstopfen und ins Museum stellen?«
    »Das lass mal meine Sorge sein«, knurrte Schwefelfell.
    Lung steckte besorgt seinen Kopf zwischen die beiden. »Du meinst, es ist gefährlich für sie?«, fragte er den Jungen. Ben nickte.
    »Klar, so, wie sie aussieht, kommt sie keine zehn Meter weit. Jede Wette. Die erste Oma, die sie sieht, ruft die Polizei.«
    »Die Polizei?«, fragte Lung verdutzt. »Was ist denn das für ein Wesen?«
    »Ich weiß, was die Polizei ist«, brummte Schwefelfell, »Aber ich muss zu diesen Speichern. Basta.« Sie setzte sich auf den Hintern und wollte gerade ins schmutzige Kanalwasser rutschen, als Ben sie am Arm festhielt.
    »Ich bring dich hin«, sagte er. »Wir ziehen dir Sachen von mir an, dann schmuggele ich dich schon irgendwie durch. Ich bin schon lange hier und kenn alle Schleichwege.«
    »Das würdest du tun?«, fragte Lung. »Wie sollen wir dir dafür danken?«
    Ben wurde rot. »Ach, keine Ursache. Wirklich nicht«, murmelte er.
    Schwefelfell sah wenig begeistert aus. »Menschensachen anziehn«, knurrte sie. »Pfui, Kahler Krempling, da werd ich wochenlang nach Mensch stinken.« Aber sie zog sie an.

     DIE SCHIFFSRATTE
     
     
     
    »Welcher Speicher ist es?«, fragte Ben. »Wenn du die Nummer nicht weißt, können wir lange suchen.«
    Sie standen auf einer schmalen Brücke. Zu beiden Seiten des Kanals reihte sich ein Speicher an den anderen, seltsame, schmale Gebäude aus rotem Stein, mit hohen Fenstern und spitzen Giebeln. Der Hafen der großen Stadt war nicht weit. Ein kalter Wind wehte von dort herüber und riss Schwefelfell fast die Kapuze von den spitzen Ohren. Viele Menschen drängten sich an ihnen vorbei, aber keiner stutzte beim Anblick der kleinen Gestalt, die sich neben Ben an das Brückengeländer klammerte. Die zu langen Ärmel von Bens Sweatshirt verbargen Schwefelfells Pfoten. Die zweimal aufgekrempelten Jeans verhüllten ihre Beine und ihr Katzengesicht verschwand im Schatten der Kapuze.
    »Ratte hat gesagt, es ist der letzte Speicher vor dem Fluss«, raunte sie. »Ihr Vetter wohnt im Keller.«
    »Ratte? Keine echte Ratte, oder?« Ben guckte Schwefelfell zweifelnd an.
    »Natürlich ist sie echt. Was denkst du denn? Steh nicht da und glotz dumm. Das kannst du zwar sehr gut, aber wir haben Wichtigeres zu tun.« Ungeduldig zerrte sie Ben hinter sich her. Hinter der Brücke lag eine schmale Uferstraße. Während sie den Bürgersteig entlanghasteten, sah Schwefelfell sich immer wieder unruhig um. Der Lärm der Autos und Maschinen schmerzte in ihren Ohren. In kleinen Städten war sie schon gewesen, hatte Obst aus den Gärten gestohlen, in den Kellern herumgeschnüffelt und die Hunde geärgert. Aber hier gab es keine Gärten, keine Büsche, hinter denen man sich schnell zusammenkauern konnte. Hier war alles aus Stein.
    Schwefelfell war sehr erleichtert, als Ben sie in einen schmalen Gang zog, der zwischen den zwei letzten Speichern zum Kanal zurückführte. Mehrere Türen gab es in den roten Mauern. Zwei waren verschlossen, aber als Ben gegen die dritte stieß, öffnete sie sich mit leisem Quietschen.
    Sie huschten hindurch. Ein unbeleuchtetes Treppenhaus lag vor ihnen. Nur durch ein schmales, staubiges Fenster fiel etwas Tageslicht herein. Eine Treppe führte nach oben, eine nach unten.
    Ben warf einen misstrauischen Blick die dunklen Stufen hinunter. »Na, Ratten gibt's da auf jeden Fall«, flüsterte er. »Fragt sich nur, ob die richtige dabei ist. Woran erkennen wir sie? Hat sie 'n Schlips um oder so was?«
    Aber Schwefelfell antwortete ihm nicht. Sie streifte die Kapuze ab und sprang die Stufen hinunter. Ben folgte ihr. Am Fuß der Treppe war es so dunkel, dass Ben seine Taschenlampe aus der Jacke zog. Ein hohes Kellergewölbe lag vor ihnen - und wieder jede Menge Türen.
    »Ts!« Schwefelfell musterte die Taschenlampe und schüttelte verächtlich den Kopf. »Ihr Menschen braucht wohl für alles eure Maschinchen, was? Sogar zum Gucken.«
    »Das ist keine Maschine.« Ben ließ den Strahl der Taschenlampe über die Türen wandern. »Wonach suchen wir eigentlich? Nach einem Mauseloch?«
    »Blödsinn.« Schwefelfell spitzte die Ohren und schnupperte.
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