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Drachenreiter

Titel: Drachenreiter
Autoren: Cornelia Funke
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Höhlenwand. »Bleichstieliger Schüpperling! Wenn du nicht endlich aufhörst, es so spannend zu machen, bind ich dir einen Knoten in den Schwanz!«
    »Schwefelfell!« Lung schlug ärgerlich mit der Tatze ins Feuer. Blaue Funken flogen dem Koboldmädchen auf den Pelz und erloschen dort wie winzige Sternschnuppen.
    »Ja, ja, schon gut!«, brummte sie. »Aber diese Ratte kann einen wirklich verrückt machen mit ihrem ewigen Drumherumgerede.«
    »Ach ja? Dann hör mir jetzt mal zu!« Die Ratte richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, stemmte die Pfoten in die Seiten und bleckte die Zähne.
    »Diiieee Menschen kommen!«, fauchte sie so schrill, dass ihre Stimme in der Höhle widerhallte. »Die Menschen kommen! Weißt du, was das heißt, du blätterwühlender, pilzfressender, zottelköpfiger Kobold? Sie kommen hiiiierheeer!« Totenstill war es plötzlich.
    Schwefelfell und Lung saßen da wie erstarrt. Nur Ratte zitterte immer noch vor Wut. Ihre Schnurrbarthaare bebten und ihr Schwanz zuckte auf dem Höhlenboden hin und her. Lung regte sich als Erster wieder.
    »Die Menschen?«, fragte er, beugte den Hals und hielt Ratte seine Tatze hin. Mit beleidigter Miene trippelte sie hinauf. Lung hob sie vor seine Augen. »Du bist sicher?«, fragte er.
    »Ganz sicher«, antwortete die Ratte.
    Lung senkte den Kopf. »Es musste so kommen«, sagte er leise. »Sie sind schon überall. Ich glaube, es werden immer mehr.« Schwefelfell saß immer noch da wie betäubt. Plötzlich sprang sie auf und spuckte ins Feuer. »Unmöglich!«, rief sie. »Hier ist nichts, was sie mögen. Gar nichts!«
    »Pah!« Die Ratte lehnte sich so weit hinunter, dass sie fast von Lungs Tatze kippte. »Rede nicht so einen Unsinn. Du warst doch selbst schon bei den Menschen. Es gibt nichts, was sie nicht mögen. Es gibt nichts, was sie nicht haben wollen. Hast du das schon vergessen?«
    »Ja, ja, schon gut!«, brummte Schwefelfell. »Du hast Recht. Sie sind gierig. Sie wollen alles für sich.«
    »Ja, das wollen sie!« Die Ratte nickte. »Und ich sage euch, sie kommen hierher.«
    Das Drachenfeuer flackerte. Die Flammen sanken zusammen, bis die Dunkelheit sie fraß wie ein schwarzes Tier. Nur eins ließ Lungs Feuer so schnell verlöschen: Traurigkeit. Der Drache blies sacht auf den felsigen Boden und die Flammen flackerten wieder auf.
    »Das sind wirklich schlimme Neuigkeiten, Ratte«, sagte Lung.
    Er ließ Ratte auf seine Schulter springen und ging langsam auf den Höhlenausgang zu. »Komm, Schwefelfell«, sagte er. »Wir müssen die anderen wecken.«
    »Na, die werden sich freuen!«, knurrte Schwefelfell, strich sich das Fell glatt und folgte Lung hinaus in den Nebel.

     VERSAMMLUNG IM REGEN
     
     
    Schieferbart war der älteste Drache im Tal. Er hatte mehr erlebt, als seine Erinnerung festhalten konnte. Seine Schuppen schimmerten schon lange nicht mehr, aber Feuer speien konnte er noch, und die Jüngeren fragten ihn um Rat, wenn sie nicht weiterwussten. Lung weckte Schieferbart, als alle anderen Drachen sich schon vor seiner Höhle drängten. Die Sonne war untergegangen. Die Nacht hing schwarz und sternenlos über dem Tal und es regnete immer noch. Missmutig sah der alte Drache zum Himmel, als er aus seiner Höhle trat. Seine Knochen schmerzten von der Feuchtigkeit und die Kälte machte seine Gelenke steif. Die anderen Drachen wichen respektvoll vor ihm zurück. Schieferbart sah sich um. Keiner fehlte, aber Schwefelfell war der einzige Kobold, der da war. Mit schweren Schritten und schleifendem Schwanz ging der alte Drache durch das feuchte Gras auf einen Felsen zu, der wie der moosbewachsene Kopf eines Riesen im Tal aufragte. Schnaufend stieg er hinauf und sah sich um. Wie erschrockene Kinder blickten die anderen Drachen zu ihm hoch. Einige waren noch sehr jung und kannten nur dieses Tal, andere waren mit ihm von weit, weit her gekommen und erinnerten sich daran, dass die Welt nicht immer den Menschen gehört hatte. Sie alle rochen das Unglück und sie hofften, dass er es verscheuchen würde. Aber er war alt und müde.
    »Komm herauf, Ratte«, sagte er mit heiserer Stimme. »Erzähl, was du gesehen und gehört hast.«
    Flink sprang die Ratte den Felsen hinauf, kletterte Schieferbarts Schwanz hoch und hockte sich auf seinen Rücken. Es war so still unter dem dunklen Himmel, dass nur das Rauschen des Regens zu hören war und das Rascheln der jagenden Füchse in der Nacht. Ratte räusperte sich.
    »Die Menschen kommen!«, rief sie. »Sie haben ihre
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