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Drachenmagier

Titel: Drachenmagier
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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versagten ihm den Dienst. Erst beim zweiten
Versuch
war ihm Erfolg beschieden, doch gleich stellte sich das alte Leiden
wieder ein:
daß seine Füße in die eine Richtung
strebten, während er eigentlich vorhatte,
die entgegengesetzte einzuschlagen.
    Endlich, nachdem Kopf
und Beine zu einer Übereinkunft gelangt waren, machte
Alfred sich auf, die
Freunde zu begrüßen, die er vor langer Zeit
verlassen hatte. Die Toten in den
Särgen würden seinen Gruß nicht
erwidern, ihn nicht willkommen heißen. Niemals
würden sie die Augen aufschlagen und ihn ansehen. Doch er
fühlte sich getröstet
von ihrer Nähe und ihrem Frieden.
    Getröstet und
neidisch.
    Nekromantie. Das Wort huschte ihm
durch den Kopf, verstohlen wie eine Fledermaus. Du könntest
sie wieder zum
Leben erwecken.
    Aber der düstere
Schatten hob sich gleich wieder. Er war immun. In Abarrach hatte er die
grausigen Folgen dieser Praktiken gesehen und konnte sich des
schrecklichen
Verdachts nicht erwehren, daß seine Freunde daran
gestorben waren, weil man
ihnen die Lebenskraft entzogen hatte, um sie jenen zuzuführen,
die sie gar
nicht wollten.
    Alfred ging ohne Zögern
auf einen der Särge zu. In ihm ruhte die Frau, die er liebte.
Nach dem
furchtbaren Anblick der rastlosen Untoten Abarrachs wollte er sie in
ihrem
friedvollen, entrückten Schlummer sehen. Er legte die
Handfläche gegen das
Kristallfenster, hinter dem sie lag, und während ihm die
Tränen in die Augen
stiegen, drückte er das Gesicht gegen die Scheibe.
    Irgend etwas stimmte
nicht.
    Zugegeben, er konnte
nur verschwommen sehen. Es lag an den Tränen. Hastig blinzelte
er und rieb sich
die Augen, dann schaute er ein zweites Mal hin. Verstört wich
er einen Schritt
zurück.
    Nein, das konnte nicht
sein. Er war überreizt, er hatte sich geirrt.
Ängstlich näherte er sich wieder
der Glasscheibe und spähte hindurch.
    In dem Sarg lag der
Körper einer Sartanfrau, aber es war nicht Lya!
    Ein kalter Schauer
lief ihm den Rücken hinunter.
    »Ganz ruhig!« ermahnte
er sich. »Es ist der falsche Sarg. Dein Orientierungssinn hat
dich im Stich
gelassen. Kein Wunder nach dem fürchterlichen Sturz
durchs Todestor. Du hast
dich geirrt. Am besten fängst du noch einmal an.«
    Mit weichen Knien
drehte er sich um und ging stolpernd in die Mitte des Raumes.
Von dort zählte
er sorgfältig die Reihen der Kristallkammern, erst
senkrecht, dann waagerecht.
Beim erstenmal mußte ihm ein Fehler unterlaufen
sein, redete er sich ein,
während er zögernd, beinahe furchtsam vor
die Nische trat und die innere
Stimme zu überhören versuchte, die ihm sagte,
daß er sich auch beim erstenmal
nicht geirrt hatte.
    Er hielt den Blick
abgewandt, um erst hinzuschauen, wenn er dicht vor der Scheibe stand,
damit
seine Augen ihm nicht wieder einen Streich spielen konnten. An Ort und
Stelle
angelangt, kniff er die Lider zusammen und riß sie dann weit
auf, als hoffte
er, irgend jemanden in flagranti zu ertappen.
    Die Fremde lag immer
noch dort.
    Alfred rang nach Atem,
fröstelte, lehnte sich schwer gegen die Wand. Was hatte das zu
bedeuten? Verlor
er den Verstand?
    »Durchaus
wahrscheinlich«, seufzte er. »Nach allem, was ich
durchgemacht habe. Vielleicht
ist Lya nie hiergewesen.
    Vielleicht habe ich es
mir nur gewünscht, und jetzt, nach der langen Trennung, vermag
ich mir ihre
Züge nicht mehr ins Gedächtnis zu rufen.«
    Er sah wieder hin,
aber wenn er tatsächlich verrückt wurde, dann auf
äußerst vernünftige Art. Die
Frau war älter als Lya, ungefähr in seinem Alter,
vermutete Alfred. Ihr Haar
war schlohweiß, das Gesicht – ein
schönes Gesicht, mußte er denken,
während er
es bekümmert und ratlos musterte – hatte
die Spannkraft und glatte Schönheit
der Jugend verloren, aber im Tausch dafür die ansprechende
Gelassenheit und
Besonnenheit der reifen Jahre erlangt.
    Strenge und Ernst
ihrer Züge wurden von Linien um den Mund gemildert, die
anzudeuten schienen,
daß ihr ein warmes, großzügiges
Lächeln eigen gewesen war. Eine steile Falte in
der Mitte ihrer Stirn verriet, daß ihr Leben nicht einfach
gewesen war, daß sie
viel gegrübelt, lange und gründlich
über mannigfache Dinge nachgedacht hatte.
Ein Hauch von Traurigkeit umgab sie. Das Lächeln hatte ihre
Lippen nicht oft
berührt. Alfred ahnte eine tiefe Sehnsucht und schmerzlichen
Kummer. Hier war
jemand, mit dem er hätte reden können, jemand, der
verstanden
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