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Drachenlanze - Die Stunde der Diebe

Drachenlanze - Die Stunde der Diebe

Titel: Drachenlanze - Die Stunde der Diebe
Autoren: Tina Daniell
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rechten Hand fehlte der Daumen.
    »Wissen sie es wirklich?« fragte er sich laut. »Wenn wir den
hier am Eingang aufstellen würden, anstatt ihn hier draußen zu
verstecken, dann würden sie vielleicht den wahren Preis für ihr
Versagen kennen.
    Die meisten von denen, die zum Turm der Erzmagier
kommen, sind Zauberlehrlinge, jung und von sich selbst
eingenommen. Sie stehen vor einer schweren Wahl. Entweder
bleiben sie ihr Leben lang Lehrlinge, Laufburschen, die nur
kleinere Sprüche probieren dürfen, oder sie kommen hierher,
stellen sich dem Tod und verdienen sich das Recht, die Roben
eines echten Zauberers zu tragen.
    Es ist eine harte Schule, aber die Versammlung der Zauberer
weiß, warum. Magie ist die größte Macht der Welt. Die
Versammlung kann die Magie nicht kontrollieren, also
kontrolliert sie statt dessen, wer Magie ausübt. Jeder Zauberer
in Ansalon, der mehr als nur die einfachsten Sprüche
beherrschen will, muß zum Turm kommen und sich der
Prüfung unterziehen, sonst wird er als Abtrünniger ausgestoßen
und von den anderen gejagt. Wenn er fähig ist – und Glück hat
–, besteht er. Wenn nicht…« Mit einem Nicken wies der Zwerg
auf den zerschundenen Körper im Gras. Dann nahm er seine
Schaufel und ging voran in Richtung Wayreth zum Turm der
Erzmagier.
    Als das Tageslicht im Wald von Wayreth der Dämmerung
wich, fegte ein kalter Wind durch die trockenen Herbstblätter.
Auf dem Boden unter den wirbelnden Blättern lagen die
bleichen Überreste des toten Zauberers. Da erschien, wie aus
den Blättern selbst entstanden, ein großes Goldstück. Es drehte
sich in der Luft so schnell um sich selbst, daß es fast aussah
wie eine goldene Kugel. Ohne aufzusteigen oder zu fallen oder
sich seitwärts zu bewegen, wirbelte es im Herzen des kleinen
Mahlstroms herum.
    Dann legte sich der Wind so plötzlich, wie er gekommen
war. Blätter sanken zu Boden, und die Münze fiel in die kalte,
daumenlose Hand des toten Zauberers. Eine unheimliche,
flüsternde Böe wehte durch das neblige Land, als die Finsternis
hereinbrach.
    Im Licht des abnehmenden Mondes zuckten blutige Finger,
beugten sich und schlossen sich um die Münze. Neues Leben
pochte durch die zerstörten Adern, erst ruckartig, dann
fließender. Der kaputte Körper wand sich in Qualen auf den
Blättern, als neues Blut aus seinen klaffenden Wunden floß.
Die Rißwunden auf der Brust des Mannes schlössen sich. Ein
heiseres Stöhnen öffnete seine Lippen und schwoll zu einem
gepeinigten Wimmern an, das durch die feuchte Abendluft
drang. Der Körper lag angespannt wartend da und atmete
mühsam. »Was ist dir dein Leben wert, Magier?« Der Zauberer
riß sein eines heiles Auge auf, als die krächzende Stimme aus
seiner Handfläche erklang. Obwohl es eine Qual war, zwang er
sich zum Aufsetzen und untersuchte die Münze in seiner Hand.
Auf der einen Seite zeigte sie ein lächelndes Gesicht mit dicken
hängenden Wangen, auf der anderen dasselbe Gesicht, doch
höhnisch und verärgert. Sein Mund war ein Loch durch die
Münze. Der Zauberer hob die Münze hoch, um durch das Loch
zu sehen, zuckte jedoch entsetzt zusammen. Höhnische,
zerfetzte Gesichter über verrotteten Körpern tanzten durch
leckende Flammenzungen.
    »Erst hast du den Tod kennengelernt und jetzt die Hölle
gesehen, und alles an einem einzigen Tag«, sagte das lächelnde
Gesicht. »Vielleicht möchtest du die Bedingungen für deine
Wiedergeburt erfahren.«
    Befremdet versuchte der junge Magier zu sprechen. »Wer
bist du?« keuchte er. »Wie hast du das mit mir gemacht?«
»Erkennst du nicht das Gesicht deines Gottes Hiddukel, Herr
der Verträge und Seelenmakler?«
Der junge Zauberer erschauerte und zog die Fetzen seiner
Robe fester um sich, als der Name des alten, bösen Gottes
erklang. »Aber ich verehre den neutralen Gott Sirrion.«
Die Münze sprang in seiner Hand hoch und zeigte das
stirnrunzelnde Gesicht. »Wo ist der jetzt?« kreischte die
Stimme. »Ich habe dir dein Leben wiedergegeben. Wie wirst
du mir dienen?«
»Ich habe dich nicht um Hilfe gebeten«, sagte der junge
Mann leise.
»So sei es!« brüllte Hiddukel.
Plötzlich fühlte der junge Magier wieder seine Rippen
brechen. Ein Schmerzensschrei entrang sich mit einem blutigen
Rinnsal seinen Lippen. »Was willst du?«
»Ich will nur dasselbe wie du«, tröstete das lächelnde
Gesicht der Münze. »Rache dafür, wie man dich im Turm
behandelt hat. Macht und Einfluß für meinen Gefolgsmann.
Diese Dinge kann ich dir verschaffen.
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