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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder
Autoren: Hera Lind
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links des Flusses, außerdem Arbeitsplätze durch Nähmaschinen und Werkstätten. Unter den instand gesetzten Brücken plätschert wieder das frische Wasser, das die Brunnen speist. Katachel ist eine Oase in der Wüste Afghanistans.
    Allerdings ist die großpolitische Lage umso kritischer. Kabul ist ein Moloch geworden. Autos drängen sich Stoßstange an Stoßstange, es scheint keine Straßenverkehrsordnung zu geben. Staub, Diesel, verpestete Luft. Es ist März und noch empfindlich kalt. Die erste Nacht bin ich im Spinzar -Hotel untergebracht, ein Koloss oberhalb der Stadt, zerschossen, zerstört, nur zum Teil bewohnbar. Ich verziehe mich gleich in mein muffig riechendes Zimmer, lege mich auf ein durchgelegenes Bett und mache mir nichts daraus, als es unter den Laken munter zu krabbeln anfängt. Inzwischen bin ich so abgebrüht wie ein alter Soldat.
    Am nächsten Morgen um vier Uhr beginnt die Reise nach Kunduz: im Toyota Corolla Taxi, das möglichst neutral wirken soll. Mit mir im Wagen sitzen außer dem Fahrer noch Osman und Tadj, in einem zweiten Auto fahren Assad und Anwars Onkel Jemaldin hinter uns her. Würde einer von uns eine Panne haben und liegen bleiben, wären wir ein leichtes Opfer für Straßendiebe. Deshalb fahren wir lieber mit zwei Wagen. In meinem Gürtel unter dem Hemd habe ich schließlich viel Geld dabei.
    Auf der Höhe des amerikanischen Militärstützpunktes Bagram ziehen die ersten Sonnenstrahlen über die Berge. Nach Charikar beginnen die Serpentinen und die atemberaubende Landschaft mit hohen Felswänden, klarem Flusswasser und grünen Pistazienbäumen. Wieder erfasst mich dieses schwindelerregende Prickeln, dieser Stolz und gleichzeitig die Demut: mein Afghanistan. Das Land, das ich lieben gelernt habe und in dem ich so vieles bewirken kann.
    Überall versuchen die Menschen, sich eine Existenz aufzubauen. Kleine Läden mit Pepsi, Mandeln und Süßigkeiten laden zum Rasten ein. Doch unser Fahrer will Land gewinnen. Es ist zu gefährlich, hier anzuhalten, erst recht mit einer blonden Frau. Auch wenn ich mit meinen Pluderhosen und meinem Turban versuche, auf den ersten Blick als Mann durchzugehen.
    Ich versuche, auf dem Rücksitz etwas zu schlafen, aber mir ist schon wieder schlecht. Und wieder wartet der schreckliche Salangtunnel. Quälend langsam geht es hinein in das enge schwarze Rußloch. Schlaglöcher von der Größe einer Badewanne, ich spüre jeden Stoß. Nur, anhalten und übergeben geht auf keinen Fall! Endlich, nach dreieinhalb Stunden, haben wir das scheußliche Tunnelgebiet hinter uns. Weiße Berghänge breiten sich unter einem dunkelblauen Himmel aus, als käme man von der Hölle direkt ins Paradies. Dankbar sauge ich die klare Luft in meine Lunge, kann wieder richtig durchatmen. Katachel, meine zweite Heimat, ich komme!
    Auf Serpentinen geht es wieder hinunter ins Tal. Kurz vor Aliabad hält uns eine Polizeikontrolle an.
    Ich versuche, mich unsichtbar zu machen, krieche unter die grobe Decke auf der Rückbank, doch der Kommandeur steckt sein schwarzbärtiges Gesicht und den Lauf seiner Kalaschnikow ins Wageninnere. Mein Herz rast. Doch auf einmal breitet sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus, er grüßt und sagt zu seinen Kollegen: » Maderkhan amad! – Unsere ehrwürdige Mutter ist angekommen!«
    ENDE

Nachwort der Protagonistin
    Mit diesem Buch möchte ich mehr Verständnis für die Menschen in Afghanistan wecken, die in Jahrzehnten des Krieges schwere seelische Belastungen ertragen mussten. Vor allem in ländlichen Regionen wurden sie in ein mittelalterliches Denken zurückgeworfen. Nur langsam, mit viel Geduld und intensiver Hilfe, durch Investitionen in Bildung, Ausbildung und Infrastruktur, besonders aber durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, kann man den Afghanen wieder eine Zukunft geben.
    Noch während der Arbeit zu diesem Roman wurde ich voll rehabilitiert. Die Bundeswehr lässt mich wieder mitfliegen und arbeitet vertrauensvoll mit mir zusammen. Somit gilt mein Dank auch den Soldaten, die im Rahmen ihres zivil-militärischen Auslandseinsatzes in Kunduz ihren Dienst getan haben, insbesondere Oberstabsfeldwebel Thomas Rubner, der mir nach all meinen Erlebnissen das Vertrauen zu den deutschen Hilfstruppen zurückgegeben hat.
    Das Spendensiegel wird uns jedes Jahr für unsere transparente Arbeit mit niedrigem Verwaltungsaufwand zuerkannt. Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung will uns wieder fördern. Mit vollem Elan stürze
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