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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder
Autoren: Hera Lind
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Zauberhand plötzlich ein paar ganz wichtige Männer, um mich zu begrüßen und mir zu gratulieren.
    » Ade Sheni Hagei, wie schön, dass Sie wieder im Lande sind!« Der Friedensminister, der Parlamentspräsident der Pashtunen, der Telekommunikationsminister – ja, sogar General Safi, der mir damals meinen Vereinswagen gestohlen hatte, machten mir ihre Aufwartung.
    »Dass du dich unter meine Augen traust«, sagte ich kopfschüttelnd zu ihm. »Schämst du dich nicht?«
    »Doch, bakhshesh , Entschuldigung«, murmelte er verdrossen.
    »Wie? Habe ich richtig gehört? Ein General schämt sich? Und gibt das auch noch zu?«
    »Dadgul hat dir schwer geschadet. Das hast du nicht verdient.«
    »Wie ich gehört habe, hast du dich früher immer schön von ihm bestechen lassen!«, schimpfte ich.
    Bedauernd zuckte er die Achseln. »Tut mir echt leid, Ade Sybille, aber so sind halt unsere Spielregeln: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.«
    »Wie soll aus eurem Land was werden, wenn ihr so miserable Vorbilder seid?«, tadelte ich den General weiter.
    Die Gruppe der Ältesten unterbrach unser Gespräch.
    » Ade Sheni Hagei , wenn du was auf dem Herzen hast und wir dir irgendwie helfen können, dann lass es uns wissen.«
    »Meint ihr das ernst?«
    »Doch, wirklich, Ade Schnehage. Du hast so viel bewirkt in den letzten Jahren, und ohne dich geht hier nur wenig. Wir wollen, dass es wieder so wird wie früher: Die Leute sollen wieder arbeiten und die Kinder zur Schule gehen. Nimm deine Arbeit hier wieder auf!«
    »Wenn ich alle meine Vereinsgüter wiederkriege, denke ich darüber nach. Aber wirklich alle!«
    »Schreib auf, was du von Dadgul verlangst. Wir werden es dir besorgen.«
    Als ich in ihre Augen sah, wusste ich, dass sie es ernst meinten.
    »Ihr seid nur deshalb nicht mehr auf Dadguls Seite, weil er unter Hausarrest steht und euch nicht mehr von Nutzen ist«, sagte ich streng.
    »Wir stehen weder auf deiner Seite noch auf Dadguls«, versicherten sie mir treuherzig. »Wir stehen auf Allahs Seite.«
    »Nee, ist klar.«
    »Wir wollen, dass Allah recht bekommt.«
    »Das ist ein schöner Gedanke.«
    »Also? Schreibst du uns jetzt die Liste?« Jemand hielt mir einen Griffel hin.
    Und während die Ältesten gemütlich auf meiner Dachterrasse Tee tranken, schrieb ich zum hundertsten Mal geduldig meine Liste: Ich wollte die Farm, sechzehn Morgen Land, die Mühle, das Kraftwerk, die Fischteiche, eine wiederhergestellte Orthopädiewerkstatt und außerdem Dadguls Geständnis über Unterschlagung, Erpressung, Bestechung, Betrug und Morddrohungen. Dies nur der guten Ordnung halber. Für meine lieben Freunde und Förderer in Deutschland.
    Der Griffel flog nur so über das Papier, denn ich konnte es auswendig.
    Sogar auf Dari.
    Während ich auf das Ergebnis der Friedenskonferenz wartete, bekam ich überraschend Besuch von Leyla, einer Verwandten Dadguls, die jetzt mit Agha, Anwars Freund und Nachbarn in Katachel Arab, verheiratet war. Stolz hielt sie mir ihren kleinen Sohn hin.
    »Da, guck mal, Ade Sheni Hagei! Auf Anhieb ein Volltreffer!«
    Ich herzte und küsste den Kleinen, der zwar zu Dadguls Clan gehörte, aber nichts dafür konnte.
    »Na, das ist ja ein ganz Süßer!«
    »Ja, und du glaubst gar nicht, wie nett die Familie meines Mannes zu mir ist«, schwärmte die Jungverheiratete. »Ein Sohn! Ich habe alles richtig gemacht!«
    Ich verdrehte die Augen. »Allah hat alles richtig gemacht.« Wir debattierten noch eine ganze Weile, was mir diesmal richtig Spaß machte – war es doch der harmloseste Konflikt seit Jahren!
    Nach Tagen kamen die Männer endlich von ihrer Verhandlung mit Dadgul zurück. Dadgul hatte zunächst nicht unterzeichnet. Wie auch. Er war einfach nicht aus seinem Haus herausgekommen. In Afghanistan funktionierte das so: Die Männer hatten geklopft, Kandigol hatte ihren verschleierten Kopf herausgestreckt und gefragt: »Wer da?«
    »Wir sind’s, die Männer vom Gericht. Wir wollen Dadgul sprechen.«
    »Der ist nicht da.«
    Und anstatt, wie in Deutschland üblich, einen Hausdurchsuchungsfehl hervorzuzaubern, das Haus zu stürmen und Dadgul unter dem Bett oder wahlweise hinter dem Ofen hervorzuzerren, akzeptierten die Männer das. Denn wenn die Ehefrau behauptete, ihr Mann sei nicht da, konnten fremde Männer unmöglich das Haus betreten: Darin liefen schließlich Dadguls unverheiratete Töchter herum, womöglich unverschleiert!
    Also: Obwohl alle wussten, dass Dadgul zu Hause war, akzeptierten sie die gegenteilige
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