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Drachenkampf

Drachenkampf

Titel: Drachenkampf
Autoren: Pierre Pevel
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dieselbe Klugheit.
    Als sie müde waren, setzten sich die Zwillinge zum Schutz vor dem sintflutartigen Regen schließlich auf eine knorrige Wurzel. Sie schüttelten sich, falteten dann ihre ledrigen Flügel wieder zusammen und, indem jeder an einer Seite zog, zerrissen sie das Nagetier, um es dann in aller Ruhe zu verspeisen. Die Dunkelheit war undurchdringlich, und als sich der Donner gelegt hatte, hörte man im Wald nur noch den Lärm des Regens und des Winds, der grob an den Blättern zerrte. Etwas, das nur sie allein wahrnahmen, hatte gerade das Mahl der Dragune unterbrochen. Etwas, das sie unwillkürlich aufhorchen ließ, nahm ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch und ließ sie erstarren.
    So verharrten sie einen Moment lang unbeweglich wie kleine Statuen aus Onyx, die vom Regen glänzten. Sie mussten sichergehen, dass sie sich nicht irrten, dass sie ihre Herrin nicht falsch informieren und ihren Ärger oder, schlimmer noch, ihre Ablehnung entfachen würden. Doch sie irrten sich nicht. Also wurden sie munter, wechselten das eine oder andere nervöse Fauchen und schwangen sich in die Lüfte empor. Das Männchen verschwand in der Finsternis des tiefen Walds, während das Weibchen in Richtung dessen, was sie in Alarmbereitschaft versetzt hatte, davonflog. Sie flog schnell, beschrieb Schlangenlinien zwischen den Baumstämmen hindurch und schien Freude daran zu haben, ihnen erst im letzten Moment auszuweichen, drosselte die Geschwindigkeit in dem Augenblick, in dem sie Stimmen vernahm, und fand ein bequemes Versteck in einem hohlen Baumstamm …
    … und musste nicht lange warten.
    Reiter nahten.
    Es waren drei, die unter den langen, aus dem Blattwerk der Baumkronen rieselnden Regenfäden über einen schlammigen Weg herankamen. Durchnässt und im Gleichschritt rückten sie im Lichtschein der Laternen heran, die sie an ihren Sätteln befestigt hatten. Das erlaubte ihnen zwar dennoch nicht, weit zu sehen, doch so erkannten sie zwischen zwei Blitzen grellen Lichts zumindest die Pfützen, die durch den schweren Schritt ihrer Pferde aufgewühlt wurden.
    Hinter Saint-Lucq, der den Marsch anführte, ritt Étienne-Louis de La Fargue, der dem Regen, der auf sein altes Patriarchengesicht fiel, vollendeten stoischen Gleichmut entgegensetzte – helle Iris, ausgeprägte Falten, martialischer Ausdruck, strenger Mund, kurz geschnittener Bart und ein energisches Kinn. Er war groß und stattlich gebaut und trug eine Jacke ohne Ärmel, die jene des Wamses, das er darunter trug, hervorblitzen ließ. Die Jacke war aus so dickem Leder, dass sie eine von Weitem abgefeuerte Kugel abhalten, ja sogar einen ungeschickt ausgeführten Degenstoß hätte abwehren können. Sie war schwarz, so wie die Beinkleider, die Stiefel, die Handschuhe und der Hut dieses alten adligen Soldaten. Was sein Wams betraf, so war es vom selben dunklen Rot wie sein Wehrgehänge und die auf der rechten Hüfte verknotete Schärpe, die fest um seine Taille gebunden war.
    Schwarz und Rot.
    Das waren die Farben, die die Klingen des Kardinals stolz trugen, seit sie von Kardinal Richelieu in aller Geheimhaltung gerufen worden waren, um ihren Dienst wieder anzutreten.
    »Sind wir wenigstens noch in Frankreich?«, fragte Almadès mit leichtem spanischen Akzent.
    Anibal Antonio Almadès di Carlio mit vollem Namen: Er hielt sich links leicht hinter La Fargue, bereit, ihm mit einem Sporenstoß beizuspringen, um die Seite des rechtshändigen Reiters abzudecken, die dieser am schwierigsten verteidigen kann. Er war mager und wirkte streng, hatte einen finsteren Blick und einen feinen, grau melierten Bart, über den er sich oft mechanisch mit Daumen und Zeigefinger strich – immer dreimal hintereinander. Er hielt den Rücken kerzengerade, und seine Taille steckte eng in einem Wams aus schwarzem Leder, das rote Einsätze hatte. Dazu trug er ein Rapier aus Toledo, dessen Glocke aus einer runden, halbkugelförmigen Muschel und einer Parierstange bestand. Auch seine Beschaffenheit aus Stahl konnte seiner Schönheit keinen Abbruch tun.
    »Ich bezweifle es«, antwortete La Fargue dem spanischen Fechtmeister. »Was meinst du, Saint-Lucq?«, erkundigte er sich, indem er die Stimme gegen den Lärm, den Wind und Regen im Geäst verursachten, erhob.
    Er wusste, dass der junge Mann sie trotz der Entfernung verstanden hatte, denn Saint-Lucq ging eben deshalb voran, weil er besser hörte – und sah – als Normalsterbliche.
    Normalsterbliche, zu denen er im Übrigen nicht gehörte.
    Saint-Lucq
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