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Drachenkampf

Drachenkampf

Titel: Drachenkampf
Autoren: Pierre Pevel
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zweiflüglige Tür bebt und birst bei jedem Stoß ein bisschen mehr. Aber sie hält stand.
    »Schnell!«, stößt die Burgschwester hervor, die eine Katastrophe vorhersieht. »Schnell!«
    Schließlich gibt die Tür nach. Reynault und seine Männer stürzen ins Innere, um die Söldner anzugreifen, die sie mit einem tödlichen Musketenfeuer empfangen. Einige Garden fallen. Ponssoy ist schwer verletzt. Reynaults Schenkel ist durchschossen, aber er merkt davon nichts. Ein erbittertes Kampfgetümmel beginnt. Die Burgschwester beteiligt sich daran. Reynault und sie versuchen durchzudringen, bis sie die Hand auf die Schulter des Leutnants legt.
    Er dreht sich zu ihr um.
    »Es ist zu spät«, sagt sie mit sanfter Stimme, die er jedoch ganz deutlich hört.
    Ein dumpfes Grummeln wird hörbar. Die Steinplatten des großen Saals beginnen zu zittern.
    Reynault hat verstanden. »Rückzug!«, befiehlt er. »Rückzug! Rückzug!«
    Als sich Reynault und seine Truppe eilig nach draußen zurückziehen, nehmen sie die Verletzten mit und müssen sich mit dem Schwert gegen die Söldner behaupten, die sie zurückdrängen wollen. Das Gebäude zittert jetzt noch mehr, als würde es von einem Erdbeben erschüttert. Die Grundmauern ächzen. Dachziegel stürzen herunter, Mauersteine fallen herab.
    Und plötzlich bricht ein Stück der Fassade heraus.
    »Herrgott im Himmel, hab Erbarmen!«, murmelt die Nonne.
    Um sie herum verharren alle, Wachen wie Söldner, stumm vor Furcht.
    In einer Wolke aus Gips und einer Kaskade aus Schutt tritt ein großer schwarzer Drache aus dem Anwesen heraus. Riesengroß richtet er sich auf, breitet die ledrigen Flügel aus und faucht. Eine Woge der Macht fegt über den Hof. Es ist wie eine Welle, die die Erde erfasst, alle Menschen umwirft und die Pferde in die Flucht schlägt.
    Allein die Burgschwester, deren weiße Gewänder in dem Getöse flattern, hat dem standgehalten. Sie hält das Rapier mit der schwarzen Klinge in der rechten Hand, hat beide Hände weit auseinandergestreckt und murmelt Psalme. Diese unbedeutende Kreatur, die ihm eine Macht entgegensetzt, die der seinen ebenbürtig ist, lässt den Drachen aufhorchen. Er beugt sich hinunter und nähert seinen riesigen Kopf der Nonne, die nicht zurückweicht. Die Worte, die sie spricht, sind in einer Sprache, die im Gehirn des Drachen ein Echo erzeugt – ein Gehirn, das nun von brutalen und primitiven Trieben beherrscht wird, aus dem die Intelligenz jedoch nicht vollständig gewichen ist.
    Schwester Béatrice weiß, dass es zu spät ist, dass sie verloren hat.
    Jetzt, wo er seine ursprüngliche Form wiedererlangt hat, kann sie nichts mehr tun, um den schrecklichsten Gegner, auf den sie jemals getroffen ist, zu besiegen – ihn nicht einmal mehr zurückzuhalten.
    Daher beschließt sie, eine letzte Karte auszuspielen.
    Sie versenkt den Blick in den abgrundtiefen Augen des Drachen. Und indem sie ihre letzten mentalen Kräfte bündelt, taucht sie in den verzerrten Geist der riesigen Kreatur ein. Die Kraft, die sie dabei aufwenden muss, ist enorm und gefährlich. Aber nach einigen Windungen findet sie, was sie sucht, und was sie sieht, trifft sie wie ein Faustschlag in der Seele.
    Für den Bruchteil einer kurzen und ewigen Sekunde sieht die Burgschwester ganz klar.
    Sie erkennt die Katastrophe, die Frankreich, sein Volk und seinen Thron bedroht, eine Katastrophe, die bald unter zerrissenen Himmeln Wirklichkeit werden wird und die sie verängstigt, ungläubig, keuchend zurücklässt, während der Drache – in seinem Innersten überwältigt – vor Wut heult, bevor er sich in die Lüfte schwingt und mit kraftvollen Flügelschlägen entflieht.

I – Die Italienerin
    1
    Z wei Dragune spielten unter dem tropfenden Blätterdach eines Waldes, über den in jener Nacht das Getöse eines gewaltigen Unwetters hinweggefegt war. Sorglos zankten sie sich, indem sie sich gegenseitig durch die Luft jagten. Sie drehten sich im Kreis, wirbelten umher, vollführten meisterhafte Kunststücke im Geäst. Die kleinen Reptilien stritten sich um eine Wasserratte, die sie gemeinsam erlegt hatten und deren verunstalteter Kadaver von Maul zu Maul wanderte, je nachdem, wie sich das turbulente Spiel gerade gestaltete. Sie waren noch jung und glichen sich wie ein Ei dem anderen, da sie als Bruder und Schwester demselben Ei entsprungen waren: dieselben goldenen Augen, dieselben schwarzen Schuppen, scharlachrot gesprenkelt, derselbe graue Bauch, dieselbe anmutige und zierliche Gestalt.
    Auch
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