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Drachenkampf

Drachenkampf

Titel: Drachenkampf
Autoren: Pierre Pevel
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von der heiligen Marie de Chastel gegründeten Ordens getauft hat. Sie ist groß, schön und würdevoll und noch keine dreißig Jahre alt. Sie ist ganz in Weiß gekleidet und trägt einen Schleier. Der Aufzug hat ebenso etwas von einem Ordensgewand wie von Reitkleidung. Unter den schweren Röcken ihres strahlend weißen Kleids trägt sie Beinkleider und Stiefel, die bis zu den Knien reichen, und einen Ledergürtel, der ihre Taille umschließt. Sie führt sogar ein Rapier an der Seite.
    Nach einem »Amen« erhebt sich die Versammlung und zerstreut sich in dem Moment, in dem Reynault und Ponssoy zwischen den Bäumen hervortreten. Ponssoy erreicht die Wachen, die sehr beschäftigt sind: Fast ohne ein Wort zu sprechen, überprüfen sie ihre Waffen, helfen sich gegenseitig, den Brustharnisch anzulegen, versichern sich, dass die Haare korrekt frisiert seien, rücken dies zurecht, ziehen jenes stramm, widmen sich Hunderten Vorsichtsmaßnahmen, die ihnen die Achtsamkeit auferlegt, aber auch dazu geeignet sind, den Geist zu beschäftigen.
    Reynault selbst unterhält sich mit Schwester Béatrice. Sie haben sich nach und nach kennengelernt, während des einen Monats, seit sie den jagen, der nun mit den Söldnern, die er in Deutschland angeheuert hat, nach Frankreich zurückkehrt. Ihr Getuschel ist jedoch nur von kurzer Dauer.
    »Er darf unter keinen Umständen seine primäre Form wiedererlangen«, schlussfolgert die Burgschwester. »Denn wenn das passiert …«
    »Wenn alles nach unseren Plänen abläuft, wird er dafür keine Zeit haben.«
    »Nun, mit Gottes Hilfe, Monsieur d’Ombreuse.«
    »Mit Gottes Hilfe, Schwester.«
    Ein Hustenanfall hat den Alchemisten geweckt.
    Zusammengekrümmt auf seiner Strohmatte, hustet er sich die Lunge aus dem Leib. Der Anfall ist schmerzhaft, und es dauert lange, bis er sich auf den Rücken drehen kann und, die Arme zum Kreuz verschränkt, das Gesicht glänzend vor Schweiß, wieder zu Atem kommt. Der Alchemist – das ist nicht sein richtiger Name, nur der, den ihm manche geben und unter dem sie ihn fürchten – fühlt sich verlebt. Er ist ein Drache, und sein menschlicher Körper lässt ihn mehr und mehr leiden. Er hat Mühe, ihn zu beherrschen. Er weiß, dass er ein Monster ist, ein in seiner Haut gequältes Monster, weil seine ureigene Natur aufbegehrt. Trotzdem ist es ihm fast unmöglich geworden, seine »ursprüngliche Form« wiederzuerlangen. Jedes Mal ist es eine Prüfung, eine langsame Tortur, die ihn umzubringen droht und nicht spurlos an ihm vorübergeht.
    Draußen dämmert der Tag.
    Der Alchemist setzt sich auf sein Lager und lässt die Decke an seiner knöchrigen Brust hinabgleiten.
    Er ist groß und mager und hat ein ausgemergeltes Gesicht, das von krankhafter Blässe ist. Seine Augen sind eisgrau und die Lippen fast nicht vorhanden. In voller Montur hat er sich hingelegt, in dem Zimmer, das er für sich in Anspruch genommen hat, seit er und seine Söldner in diesem verlassenen Landsitz Station machen. So sind es nun schon zwei Tage und zwei Nächte, die sie dort lagern und wertvolle Zeit verloren haben. Das ist seine Schuld. Oder vielmehr die Schuld der Erschöpfung und der Schmerzen, die es ihm nicht mehr erlauben zu reiten.
    Jetzt geht es ihm aber besser. Sie würden sich heute wieder auf den Weg machen können, würden morgen in Lothringen sein und bald in Frankreich, wo der Alchemist wieder seinen zu lange vernachlässigten Geschäften nachgehen konnte.
    Aber zur Stunde …
    Er leidet unter Übelkeit, und ihm ist erst kalt, dann heiß, und dann beginnt er zu zittern.
    Die Folgen des Mangels.
    Denn seine wiedererlangte bessere körperliche Verfassung ist trügerisch. Er verdankt sie diesem Likör, von dem er zu viel trinkt und der in ihm ein böses Feuer entzündet, das ihn belebt und zugleich verschlingt.
    Aber ist es nicht das Wichtigste, durchzuhalten und zu widerstehen, koste es, was es wolle?
    Er dreht sich auf die Seite und streckt, auf einen Ellenbogen gestützt, die Hand nach einer Schatulle aus, die in der Nähe seiner Stiefel unter einem alten Wäschestück versteckt ist. Er öffnet die Schatulle, in der sich vier dickbauchige Phiolen aus Glas und Metall befinden, die von Lederriemen gehalten werden. Die erste ist leer. Die drei anderen – von denen eine kaum angebrochen ist – beinhalten den kostbaren Bilsenkraut-Likör, eine sämige Flüssigkeit, die an liquides Gold erinnert.
    Wie immer ist der erste Schluck ein Genuss.
    Mit einem leichten Lächeln auf den
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