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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt
Autoren: André Ziegenmeyer
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Geistlichen weiter.
    „Das Magenpräparat für den Bischof. Bringen Sie es bitte für mich zur Post.“
    Mit einem Nicken verabschiedete sich Nikodemus und schlich wieder hinaus. Auguste blickte ihm noch eine Weile nach. Man hatte ihn zu ihrem persönlichen Assistenten gemacht, über den Grund dafür war sie sich noch immer nicht ganz im Klaren.
    Wahrscheinlich hatte man Nikodemus von Schlupp für seine Verdienste offiziell befördern wollen – auf eine Art, die ihn später niemandem im Weg stehen ließ. Zumindest niemandem von denen, die ihn befördert hatten. Auf der anderen Seite ging man davon aus, dass sie ein besonderes Vertrauensverhältnis verband. In gewisser Weise stimmte das sogar. Zumindest brachte Auguste dem jungen und etwas unbeholfenen Geistlichen weit mehr Vertrauen entgegen als den meisten seiner Amtsbrüder.
    Bischof Korkenbaum hatte ihr noch einige Hinweise erteilt, bevor sich ihre Wege trennten. Im Wesentlichen liefen sie darauf hinaus, dem jungen Mann lieber keine zerbrechlichen oder sonst wie bedeutungsvollen Dinge anzuvertrauen.
    Doch egal, wie viel Sorgfalt der Bischof auf seine Leidensmiene verwandte – insgeheim war Auguste sicher, dass es ihm nicht leicht fiel, sich von seinem Schützling zu trennen. Hinter seinem sorgsam gepflegten Panzer des Unwillens spürte die Hexe eine gewisse Anhänglichkeit.
    Widerstrebend schlug Auguste den ersten Ordner auf und überflog die eingehefteten Seiten. Es hatte sie in den ersten Wochen eine beachtliche Überwindung gekostet, sich überhaupt mit Verwaltungsdingen zu beschäftigen. Mittlerweile kam sie mit den verschiedenen Mitteilungen, Protokollen und Zahlenwerken etwas besser zurecht. Trotzdem fühlte sich ihre neue Rolle noch immer ungewohnt an.
    Knappe drei Monate waren seit den Ereignissen in Schinkelstedt und rund um den Bärenstein vergangen. Manchmal wollte es Auguste scheinen, als wäre all das schon sehr viel weiter entfernt, als hätte sich eine völlig neue Wirklichkeit dazwischengeschoben. Und vielleicht war das nicht einmal ganz falsch.
    Es brauchte damals mehrere Tage, um aus Leonardo de Vendetta eine zusammenhängende Geschichte herauszuholen. Für Auguste und ihre Begleiter war dies eine Phase der quälenden Warterei. Doch auf eine persönliche Intervention des Papstes hin, der an der Person dieses Mannes mittlerweile ein nachdrückliches Interesse zeigte, wurde ihm die Zeit zugestanden.
    Danach befand sich Anastasius XIII. in einer interessanten Zwickmühle. Einerseits war das Projekt ‚Remagikalisierung’ ein voller Erfolg. Das Medieninteresse war erheblich, und als der nächste Sonntag kam, sah sich der Schinkelstedter Pfarrer zum ersten Mal mit dem Problem konfrontiert, wo er genügend Stühle hernehmen sollte.
    Auf der anderen Seite aber war das Projekt untrennbar mit dem Namen de Vendetta verbunden, und in dieser Hinsicht ergab sich nun ein gewisses Problem. Ein rascher Zugriff auf Unterlagen der de Vendetta-Familie förderte eine erdrückende Beweislast zutage. Und einen vor vierhundert Jahren verschollenen wahnsinnigen Inquisitor zu beschäftigen, war selbst mit professioneller PR nicht unverfänglich.
    Schließlich war es ein Vorschlag Bischof Korkenbaums, der einen möglichen Ausweg aufzeigte: Das Projekt ‚Remagikalisierung’ würde weiterlaufen, allerdings unter leicht veränderten Bedingungen. Zunächst einmal holte man die Fabelwesen aus ihrer Stasis. Zumindest fast alle. Eine demokratische Umfrage ergab, dass niemand Interesse daran hegte, auch eine Kiste mit Ghulen und anderen Absonderlichkeiten zu öffnen.
    Nach einem vorübergehenden Chaos sorgte ein gewisser Nachdruck dafür, dass beide Parteien Wortführer stellten. Das war im Falle der Fabelwesen nicht ganz einfach, denn im Grunde bestand diese Partei nur aus einer willkürlichen Zusammenballung engagiert verfeindeter Fraktionen.
    Doch nachdem man ihnen die Sachlage erklärte und auch Hunger und Durst zu den Entscheidungsbeschleunigern hinzunahm, glückte es schließlich: Auf beiden Seiten fanden sich Vertreter, die bereit waren, mit den anderen zu verhandeln.
    Gemeinsam arbeiteten sie an einem großen Kompromiss, der letztlich so aussah: Die Fabelwesen erhielten ihre Freiheit – und alle Unterstützung, die sie brauchten, um sich eine neue Heimat aufzubauen. Im Gegenzug verpflichteten sie sich zu einer genau festgelegten Zahl jährlicher Missetaten.
    Auguste ahnte, dass es noch eine gehörige Portion Überzeugungskraft brauchen würde, um die befreiten
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