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Down

Down

Titel: Down
Autoren: Nate Southard
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Verwandlung, die Greg und Dani durchgemacht hatten, ließ das nur den Schluss zu, dass auf dieser Lichtung etwas Wahnwitziges, völlig Unglaubliches vor sich ging. Sie konnte sich nicht länger in die Illusion flüchten, dass es lediglich um einen blinden Akt von Gewalt ging. Es war bedeutender, doch sie konnte nur machtlos abwarten, was weiter geschah.
    Jens Hand legte sich auf ihre. Sie verschränkte ihre Finger mit denen der Gitarristin und hielt sie fest. Nun zitterten ihre Hände gemeinsam. Ein einziger Gedanke kreiste ununterbrochen durch ihren Kopf und sie war sicher, dass er auch Jen beschäftigte.
    Welche Rolle spielen wir bei dem Ganzen?
    Das Schnitzen verstummte. Alle drei Gestalten hatten ihr Symbol im selben Moment fertiggestellt. Schweigen breitete sich auf der Lichtung aus, als sie sich umdrehten und den Leichen in der Mitte der Freifläche zuwandten. Shannon packte Jens Hand so fest, als wäre es eine Rettungsleine. Ihre Zähne nagten an der Unterlippe und ihr Herz knallte gegen den Brustkorb. Für sie fühlte es sich an, als ob die gesamte Welt den Atem anhielt.
    Ein neues Geräusch ertönte – trocken und weich. Sie brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen, dass es vom Zentrum der Lichtung ausging. Aufgrund der Dunkelheit dauerte es noch wesentlich länger, bis in ihren Verstand durchsickerte, was sie vor sich sah.
    Der Boden bewegte sich. Das Erdreich, das die drei toten Männer umgab, wellte sich wie Wasser im Sturm. Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie so etwas schon einmal zu Gesicht bekommen hatte, etwa bei einem Erdbeben oder einer anderen Naturkatastrophe. Etwas, das ihrer Definition von normal entsprach. Ihre Brust schnürte sich über dem pochenden Herzen zusammen, weil sie wusste, dass das nicht der Fall war. Etwas Furchtbares – etwas Unnatürliches – ging hier vor sich und sie war am Boden festgenagelt und mit einer verkrüppelten Gitarristin neben sich dazu verdammt, untätig abzuwarten, was sich daraus ergab.
    Jens Hände zupften an ihr. Sie versuchte, der Frau beruhigend auf die Schulter zu klopfen, wusste aber selbst, dass es eine nutzlose Geste war. Ihr Körper bebte und die aufkeimende Furcht schien ihn fast zum Platzen zu bringen.
    Mit einem Laut wie dem Rascheln von altem Papier brach etwas aus der Erde hervor. Shannon beugte sich vor, ehe sie darüber nachdenken konnte, und der Knochen, der ihr Bein durchbohrte, schickte einen klirrenden Schmerz durch ihren Körper. Sie biss die Zähne zusammen und blinzelte. Durch den zurückweichenden Schleier ihres Leidens erspähte sie die Hände. Zuerst waren es nur einige wenige, doch sekündlich schossen weitere aus dem Morast. Bald waren es Dutzende. Graue, schwarze und einige fast kalkweiße Finger griffen aus dem aufgeweichten Waldboden nach den drei Leichen.
    Neben ihr fing Jen zu schreien an. Shannon hätte sich ihr nur zu gerne angeschlossen, doch ihr Atem war verschwunden. Alles wirkte entrückt und trotz seiner Absurdität beinahe vernünftig. Mit merkwürdiger Ruhe beobachtete sie, wie die Hände die toten Körper packten und an ihnen rissen. Andere, die zu weit entfernt waren, beschäftigten sich damit, den Boden weiter umzupflügen und zum Einsinken zu bringen. Es waren die Vorboten einer weiteren Grube – einer Futterstelle für eine Kreatur, wie sie ihr noch nie begegnet war, nicht mal in ihren Träumen.
    Sie hörte über das geduldige Rieseln der Erde hinweg, wie Fleisch barst und Knochen brachen, und auf eine merkwürdige Art und Weise erschien es ihr logisch. Dutzende von Händen unter der Erde, die tote Körper in die Tiefe zogen und ein weiteres Loch im Boden aushoben. Es erschien ihr ebenso nachvollziehbar wie ein Monster, das durch einen Wald raste, dessen Bäume mit geschnitzten Symbolen übersät waren.
    Dass Greg und Dani den Verstand verloren und sich verwandelt hatten, war nur eine weitere Facette des Irrsinns. Mit dem Absturz ihres Flugzeugs war die ganze Welt in Wahnsinn versunken und endlich akzeptierte sie diesen Umstand. Während sie dem Knirschen und Reißen von Körpern unter den zupackenden Händen lauschte – und während Jen an ihr zerrte, als ob sie in der Lage war, sie zu retten – entschied sie, dass es keinen Grund gab, es nicht wenigstens zu versuchen. Wenn die ganze Welt aus den Fugen geraten war, hatte sie nichts zu verlieren.
    Entschlossen packte sie den Knochen, der sie am Aufstehen hinderte, und zog daran.
    Aus den Schatten hinter der Lichtung sah Potter mit atemlosem Schweigen zu.
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