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Down

Down

Titel: Down
Autoren: Nate Southard
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Trotz allem, was er erlebt hatte – nachdem er sich hinter einem Armaturenbrett versteckte, während eine Kreatur aus einem Albtraum um ihn herum Leichen stahl –, traute er seinen Augen kaum. Er wiederholte sein Ritual, sich die Finger in den Mund zu stecken und zuzubeißen, hoffte, dass es die Halluzination zum Verschwinden brachte, doch die Hände blieben, wo sie waren. Sie fetzten die toten Körper in Stücke, gruben dabei unaufhörlich das Erdreich um, das in großen Brocken in die Tiefe sackte. Die Leichen waren schon fast einen halben Meter unter die Oberfläche des Waldbodens gesackt und das Loch wuchs sekündlich. Er musste an eine Sanduhr denken, deren Füllung schneller und schneller aus der Spitze herabrieselte, weil die Welt unter ihr hungrig war.
    Er bemühte sich, näher an Jen und Shannon heranzukommen, und fragte sich, warum Greg und Dani ihn nicht ebenfalls zur Lichtung geschleppt hatten. Lag es daran, dass sie nicht so viel tragen konnten? Oder hatten sie geplant, ihn hinterherzuholen, sich dann aber zu sehr in ihr Ritual vertieft? Genauso gut konnten sie entschieden haben, dass sie ihn nicht brauchten, weil er keine Rolle spielte.
    Nach allem, was er mit angesehen hatte, verhielt sich die Kreatur, die ihr Anführer zu sein schien, zwar listig, aber nicht allzu intelligent. Er hoffte, dass seine Annahme stimmte. In diesem Moment gesellten sich Greg und Dani zu der Kreatur, um den Händen bei der Arbeit zuzusehen. Falls sie sich überhaupt an die zwei Frauen erinnerten, zeigten sie zumindest kein Interesse an ihnen.
    Der Boden gab schneller nach, die toten, zerrissenen Körper sanken weiter ein. Das Loch war inzwischen über einen Meter tief. Einige der Hände setzten ihr zerstörerisches Werk fort und zerpflückten mit brutaler Hingabe die Leichen. Unterdessen vergrößerten andere das Loch. Der zerfetzte Skalp von einem der Piloten geriet außer Sicht, kurz darauf folgten ihm die anderen Leichen. Bald blieb nur das grässliche Geräusch von Körpern, die in Stücke gerissen und zerquetscht wurden, zurück. Die Erde tat sich auf, begleitet von einem Geräusch wie Sand, der aus einem Eimer rieselte.
    Potter bemühte sich weiterhin, näher an Jen und Shannon heranzukriechen. Die Dunkelheit erschwerte ihm das Vorankommen, aber er ließ sich Zeit, ließ seinen Blick stetig zwischen den Frauen, der Senke, dem Monster und seinen toten Freunden hin- und herwandern. Seine Füße rollten sich vom Boden ab und er war dankbar für den Umstand, dass die herabgefallenen Nadeln seine Schritte dämpften. Am Rand der Lichtung, nur noch knapp zehn Meter von Shannon und Jen entfernt, fand er sich schließlich an einem Kiefernstamm wieder.
    Die Reporterin hatte die Hände um ein Knochenstück geschlossen, das die Frau wie ein präpariertes Insekt am Boden festklammerte. Er konnte die Anspannung in ihrem Gesicht lesen, während sie kämpfte, freizukommen. Er fragte sich, welchen Schaden der Keil anrichtete, und ob sie das Risiko einging, zu verbluten, wenn sie den Keil herauszog. Allerdings hätte er an ihrer Stelle dasselbe getan.
    In der Hoffnung, dass die Schatten nach wie vor auf seiner Seite waren, versuchte er, sich für eine Vorgehensweise zu entscheiden. Jen konnte nicht laufen, nicht einmal stehen, aber auch Shannon schien kaum in der Verfassung zu sein, ein Wettrennen zu gewinnen. Er würde sich also mit zwei Leuten davonschleichen müssen, die so schwer verletzt waren, dass ihnen die kleinste Bewegung höllische Schmerzen zufügte. Die einzige Chance, sie in Sicherheit zu bringen, bestand im Ausschalten der anderen drei. Aber wie um alles in der Welt sollte er das anstellen? Selbst wenn Greg und Dani sich nicht in Neandertaler verwandelt hätten, stellte sich die Frage, wie er diese Kreatur besiegen sollte. Und brachte er es über sich, zwei Leute auszuschalten, die er als Freunde betrachtete?
    Vielleicht gab es eine andere Möglichkeit. Falls er das Geschöpf tötete, bestand die Hoffnung, dass sich Greg und Dani zurückverwandelten. Er bezweifelte, dass es mehr als ein frommer Wunsch war, aber zumindest konnte er es versuchen. Falls er scheiterte, musste er sich allerdings den Konsequenzen stellen.
    Sein Körper stand unter Hochspannung. Sein Atem schwoll in seiner Brust zu einem dicken, heißen Klumpen an. Er warf einen Blick auf seine To-Do-Liste. Der Notizblock war deutlich vor seinem geistigen Auge zu erkennen:
    1. Spiel den verdammten Helden oder stirb bei dem Versuch
    Für eine Sekunde schweiften
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