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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf
Autoren: Banana Yoshimoto
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Whisky-Soda-Gebräu.
    »Weil ich das Gefühl habe, daß wir uns eigentlich mochten«, antworte ich aufrichtig. »Beinahe, als hätten wir so was wie eine lesbische Beziehung miteinander gehabt.«
    »Hahaha«, lacht Tanaka laut und sagt: »Du bist ganz schön offen.« Während ich gedankenverloren auf seine kleinen Schuhe und seine winzigen Hände schaue, überlege ich, worüber ich mich wohl mit Haru unterhalten werde, wenn ich sie treffe. Aber mir fällt nichts ein.
    »Tja, wollen wir allmählich anfangen?« fragt Tanaka, als ich gerade mein erstes Glas geleert habe. Mizuo ist nicht gerade gesprächig. Wahrscheinlich erinnert er sich daran, wie er früher selbst einmal hierhergekommen ist.
    »Was meinst du mit ›anfangen‹?«
    »Es ist ganz leicht: Hier sind weder irgendwelche Drogen im Spiel, noch mußt du Schäfchen zählen. Schließ einfach deine Augen und sei still, dann wirst du schon bald einen Raum betreten. Das ist das Sprechzimmer. Übrigens solltest du dir eins unbedingt hinter die Ohren schreiben: Du darfst den Raum niemals durch die Tür verlassen, auch wenn dich deine Gesprächspartnerin dazu auffordert. Du erinnerst dich an die Geschichte von Lots Frau? Die zur Salzsäule erstarrte? Es ist nämlich schon vorgekommen, daß jemand den Raum verlassen hat und nicht wieder zurückfinden konnte. Und manch einer von diesen blieb für immer verschwunden. Deshalb, sei auf der Hut!«
    Eingeschüchtert schweige ich.
    Aber Mizuo lächelt und macht mir Mut: »Keine Sorge, du wirst schon auf dich aufpassen!«
    Ich nicke und schließe die Augen. Es kommt mir so vor, als würde Tanaka noch einmal durch die Tür in der Theke hindurchschlüpfen, und gleichzeitig merke ich, wie mein Körper völlig auskühlt.
    Kaum stelle ich das fest, befinde ich mich auch schon in dem besagten Zimmer.
    Ein seltsamer Raum. Eigentümlich eng und mit Milchglasscheiben in den kleinen Fenstern. Ich setze mich auf ein altehrwürdiges rotes Sofa. Es gibt keinen Tisch in dem Zimmer, aber auf der anderen Seite, mir direkt gegenüber, steht noch ein kleines Sofa, das genauso aussieht wie das, auf dem ich sitze. Das Zimmer hat Ähnlichkeit mit einer »Villa Magica«, wie es sie früher immer auf dem Rummel gab. Diese »Villa« erzeugte die Illusion, daß die Wände des Raumes um einen herum kreisten und sich das ganze Gebäude drehte, obwohl man sich selber gar nicht bewegte. Es herrscht ein schummriges Licht in dem Raum, irgendwie macht mich das alles ganz depressiv. Und dann ist da auch noch eine Holztür.
    Schon, als ich nur daran denke, die Tür zu berühren, streckt sich meine Hand nach dem Türknauf aus. Er ist schmal und kühl und hat einen stumpfen, goldenen Farbton. Als ich die Hand um ihn lege, fühle ich, wie er sacht vibriert. Also muß das hier so was wie das Auge eines Taifuns oder eine Art Bannkreis sein, ein Ort jedenfalls, um dessen ruhiges Zentrum ein starkes Energiefeld wirbelt. Ich habe das Gefühl, daß mich irgend etwas davon abhält, die Tür zu öffnen. Die Vibrationen durchströmen meinen Körper, und instinktiv fürchte ich die Welt auf der anderen Seite der Tür.
    Aber ich kann auch nur zu gut verstehen, daß so mancher diese Tür hat öffnen wollen. Und daß Mizuo mit Sicherheit dazu gehört hat. Und auch, daß es um denjenigen, der diese Tür öffnen würde, geschehen wäre.
    … Genau!
    Ich trete von der Tür zurück und setze mich wieder auf das Sofa. Mein Verstand hat gesiegt. Dong, dong, klopfe ich auf den Holzfußboden und betaste die rauhe, beigefarbene Wand. Das alles ist echt. Der Raum wirkt bedrückend und so gespenstisch wie der menschenleere Warteraum eines verlassenen Bahnhofs auf dem Land.
    In dem Moment passiert es. Plötzlich springt mit einem Knall die Tür auf, und ein Körper scheint hereingefegt zu werden: Haru ist da!
    Ich bin viel zu überrascht, als daß ich etwas sagen könnte.
    Für einen kurzen Moment erhasche ich über Harus Schultern hinweg einen flüchtigen Blick auf das bleierne Grau, das den Raum von allen Seiten umgibt. Gleichzeitig höre ich ein Geräusch wie das Brausen des Windes oder so. Das beunruhigt mich tausendmal mehr als die Tatsache, daß Haru tatsächlich gekommen ist.
    »Lange nicht gesehen«, sagt Haru. Sie lächelt mit gespitzten Lippen.
    Ich fühle mich so einsam und hilflos, als könnten Harus Lachen und überhaupt der ganze Raum im Nu von dem furchterregenden Grau, das das Zimmer umschließt, aufgesaugt werden.
    »Mensch, bin ich froh, daß wir uns treffen!«
    Die
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