Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf
Autoren: Banana Yoshimoto
Vom Netzwerk:
eingestiegen. Hmmh, wie soll ich sagen, sie war im Dienstleistungsgewerbe … eine Art verfeinerte Prostitution sozusagen. Sie war aber wirklich in Ordnung, wir haben zusammen gewohnt, als wir zur Uni gingen, in der Wohnung, in der ich jetzt alleine lebe. Einfach perfekt war das, echt. Wir hatten Spaß ohne Ende. Es gab nichts, was uns hätte Angst einjagen können, wir haben immer über alles mögliche geredet, die Nächte zusammen durchgemacht, uns total besoffen und so. Auch wenn einer von uns draußen was Schlimmes passiert war – sobald sie oder ich zur Tür reinkam, wurde zuerst Zeter und Mordio geschrien, dann wurde die Sache durch den Kakao gezogen, und schon war sie vergessen. Einfach klasse war das! Über dich hab ich mich auch oft mit ihr beratschlagt. Na ja, beratschlagen kann man das vielleicht nicht nennen, das war schon eher lästern, schimpfen und so … Und vorgeschwärmt hab ich ihr von dir! Was man halt so macht … Wir haben uns immer alles erzählt. – Zwischen dir und mir, das ist was anderes, du weißt schon – Frauen und Männer können sowieso nie richtige Freunde werden, oder? Und wenn man endlich soweit ist, daß es gemütlich wird miteinander, ist die Liebe futsch. – Shiori und ich, wir haben uns richtig gut verstanden. Wenn ich mit ihr zusammen war … ach, ich kann das schlecht beschreiben, also … wenn einem die Last des Lebens gerade mal wieder so richtig die Schultern runterdrückte, verstehst du?, dann … mit Shiori erschien sie einem plötzlich nur noch halb so schwer. Es wurde einem leicht ums Herz, ohne daß sie groß was zu tun brauchte, und ganz gleich, wie nah man sie an sich ranließ, nie klebte sie an einem, sie hielt immer genau den richtigen Abstand und tat einfach nur gut. Es war schön, eine richtige Freundin zu haben. Du warst da, und Shiori war da – ich hab zwar zu der Zeit immer unheimlich gelitten, aber das waren nur so Kinderwehwehchen. Wenn ich heute daran zurückdenke, kommt’s mir vor wie ein einziges großes Fest! Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, jeden Tag. Shiori war schon eine tolle Frau, eine echte Freundin; wenn sie einem aufmerksam zuhörte, hat sie immer genickt und so ein bißchen aus den Mundwinkeln heraus gelächelt. Und dabei bekam sie diese Grübchen. Aber Shiori hat sich umgebracht. Da war sie längst schon bei mir ausgezogen und lebte alleine in so einer Luxusbude. Gestorben ist sie aber in ihrem kleinen Einzelbett, nachdem sie massenweise Schlaftabletten genommen hatte. Wo doch in ihrem Arbeitszimmer so ein riesengroßes Himmelbett stand, weißt du, so eins mit luftig weichen Plumeaus, in denen die Fürsten im Mittelalter geschlafen haben – wieso bloß hat sie sich zum Sterben nicht das ausgesucht? Ich weiß einfach keine Antwort darauf, obwohl ich ihre Freundin war! So wie ich sie kannte, hätte sie selbst garantiert für das große plädiert, nach dem Motto: »Weil man darin bestimmt bessere Chancen hat, in den Himmel zu kommen.«
    Von ihrem Tod erfuhr ich am Telefon, durch ihre Mutter, die aus ihrem Heimatort hergeflogen war. Ich traf sie dann zum ersten Mal – die Ähnlichkeit mit Shiori war verblüffend, mir wurde ganz warm ums Herz, und dann hat sie mich auch noch nach Shioris Arbeit gefragt – aber darauf konnte ich ihr einfach keine Antwort geben.
     
    Ach, hat doch alles keinen Zweck, Mensch! Nicht mal annähernd vernünftig ausdrücken kann ich es. Ich weiß genau, je mehr ich versuche, meine Gedanken rüberzubringen, desto schneller sprudeln die Wörter aus mir heraus, zerfallen zu Staub und werden in alle Winde verweht – deshalb lasse ich sie erst gar nicht über die Lippen kommen. Nichts kann ich auf diese Weise rüberbringen, rein gar nichts. Letztlich zählt sowieso nur, daß meine Freundin tot ist. Was in aller Welt kann ich denn sagen, um meine ganze Trauer auszudrücken …
    … denke ich unter einem Nachthimmel, dem man schon den nahen Sommer anmerkt. Während wir über die große Fußgängerbrücke vor dem Bahnhof gehen, sagt er:
    »Morgen muß ich erst mittags in der Firma sein.«
    In langen, glänzenden Schlangen winden sich in weiter Ferne Autos um eine Kurve. Auf einmal kommt mir die Nacht schier unendlich vor, und ich bin glücklich. Das mit Shiori ist wie weggeblasen.
    »Dann können wir ja irgendwo übernachten zusammen«, sage ich ausgelassen und nehme seine Hand, worauf er, wie immer mit einem kleinen Lächeln von der Seite, sagt:
    »Ja, genau.«
    Ich bin überglücklich. Ich liebe die Nacht. Zum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher