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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf
Autoren: Banana Yoshimoto
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ließ sie kurzerhand alles zurück, ob das nun Bücher waren oder Geschenke. Sie hasse es, Ballast anzuhäufen, sagte sie. Mit genau 1 Kopfkissen, 1 Frotteedecke und 1 Reisetasche zog sie aus seiner Wohnung zu mir. Obwohl sie gar nicht wie jemand wirkte, der es alleine nicht aushält, schien es ihr Hobby zu sein, ihre Anwesenheit auf die Wohnungen ihrer Freunde zu verteilen.
    »Warum hast du ihn verlassen?« fragte ich sie.
    Sie antwortete: »Tja – warum? Also, sieh doch mal: Ich war schließlich der Schmarotzer! Bevor ich nicht ausgezogen bin, kann man gar nicht anfangen, über die Sache zu diskutieren.« Sie sprach in Rätseln.
    »Was hast du denn an ihm geliebt?« fragte ich.
    »Er redet so süß, findest du nicht?« sagte sie und lächelte ein wenig wehmütig. »Aber als ich dann bei ihm wohnte, mußte ich zur Genüge erfahren, daß er bei weitem nicht immer so lieb und süß ist. Mit dir zu leben macht viel mehr Spaß, Terako! Du bist wenigstens immer nett!«
    Shiori strahlte wieder, als sie das sagte. Mit ihren weißen Wangen und den matten Augen erinnerte ihr Lächeln an ein Marsh Mallow. Damals gingen wir beide noch zur Uni, und obwohl unser Lebensrhythmus daher fast gleich war, wir also ständig zusammensteckten, haben wir uns kein einziges Mal gestritten. Shiori integrierte sich im Nu in meine Wohnung und war so selbstverständlich da, als sei sie von der Zimmerluft absorbiert worden.
    Nicht, daß ich lesbisch wäre oder so, aber wenn ich mit Shiori zusammen war, dachte ich manchmal wirklich: Im Grunde meines Herzens mag ich Frauen vielleicht viel lieber als Männer. So eine tolle Frau war sie, und so phantastisch haben wir uns verstanden. Sie sah blaß aus, war pummelig, hatte sehr schmale Augen und einen großen Busen. Als Schönheit konnte man sie also nicht gerade bezeichnen; mit ihrem allzu sanftmütigen Gehabe und ohne einen Funken von dem, was man gemeinhin Sex-Appeal nennt, war sie eher der »Mutti-Typ«. Sie war nicht sehr gesprächig, einfach nur sehr weiblich, und wenn ich an Shiori denke, erinnere ich mich kaum an ihre äußere Erscheinung, sondern immer nur an das, was sie umgab: ihre sanfte Aura. Als sie noch da war, habe ich manchmal in ihr offenes, fast schattenloses Lächeln geblickt, in diese Augen, um die sich dann Fältchen bildeten, und hätte am liebsten – ohne daß ich gewußt hätte, warum – mein Gesicht in ihren riesengroßen Busen vergraben, bitterlich geweint und mir alles, aber auch alles, von der Seele geredet. Meine Fehler, meine Lügen, meine Zukunftssorgen, meine Müdigkeit, meine Zugeständnisse, die dunklen Nächte, meine Ängste – einfach alles. Ich wollte an meinen Vater, meine Mutter, den Mond in meiner Heimat und die wechselnden Farben des Windes über den Feldern denken. Diese Art von Frau war Shiori.
     
    Obwohl es ja nur ein paar Minuten waren, hat mich das Treffen mit dem Freund von früher völlig durcheinandergebracht. Alleine kehre ich unter einer sengenden Sonne, von der einem fast schwarz vor den Augen wird, nach Hause zurück. In meine Wohnung fällt nachmittags sehr viel Sonne. Im blendenden Licht nehme ich mit benommenem Kopf die trockene Wäsche ab. Das weiße Laken, das meine Wange streift, verströmt den angenehmen Duft frischgewaschener Baumwolle.
    Irgendwie werde ich müde. Während ich so die Wäsche zusammenlege – die Sonne fällt mir auf den Rücken wie ein Brausestrahl, und die Klimaanlage umsäuselt mich mit ihrem kühlen Wind –, fallen mir allmählich die Augen zu. Die Mittagsschläfchen, in die man bei solchen Gelegenheiten sinkt, sind normalerweise besonders angenehm. Man meint, in goldene Träume einzutauchen. Ich ziehe mir nur den Rock aus und verkrieche mich einfach so ins Bett. Aber in letzter Zeit träume ich nicht mal mehr. Es wird sofort stockfinster.
    Das Telefonklingeln, das sich plötzlich in meinen Schlaf bohrt, holt mich wieder ins Bewußtsein zurück. Er ist es, denke ich und stehe mit einem Blick zur Uhr auf: Nicht mal zehn Minuten sind vergangen, seit ich eingeschlafen bin. Wäre es jemand anders, nie und nimmer hätte ich etwas gehört, ich hätte einfach weitergepennt. – Würde einem so was als übersinnliche Fähigkeit angerechnet, ich glaube, ich könnte ein klasse Medium abgeben.
    »Terako?« sagt er, als ich den Hörer abnehme.
    »Ja, ich bin’s.«
    »Madame haben wohl wieder geruht?« sagt er irgendwie froh. Und weil ich mich beim Klang dieser Worte immer gut fühle, muß auch ich unwillkürlich vor mich hin
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