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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf
Autoren: Banana Yoshimoto
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und Geist wieder voll da sind. Als würde sich ein Nebel lichten, klärt sich meine Sicht, und mein Atem geht ruhiger.
    »Du fühlst dich jetzt bestimmt, als hättest du einen Marathonlauf hinter dir, oder?« sagt Tanaka und stellt klirrend ein Glas mit Eiswasser vor mir auf die Theke. »Du hast nämlich gerade eine sehr, sehr weite Reise gemacht und bist wieder glücklich hierher zurückgekehrt.«
     
    Genau, der Sturm an jenem Tag.
    Es war Herbstanfang, und ein Taifun war aufgezogen. Unsere Situation damals war zermürbend, sie hatte bedrohliche Züge angenommen. Haru und ich hatten eine Woche lang nur gestritten. Die Beziehung zu unserem Typen war dabei auseinanderzubrechen. Daran war zwar nichts mehr zu ändern, aber wir waren trotzdem die ganze Zeit über nervös und unsicher deswegen. Er kam mittlerweile so gut wie gar nicht mehr nach Hause, aber damit hatten wir uns schon abgefunden.
    »Schreckliches Gewitter da draußen!« sagte ich.
    Ich war wegen des Unwetters nicht wie geplant nach Hause gegangen, und da außer Haru nun mal niemand da war, den ich hätte ansprechen können, hatte ich es ganz unwillkürlich getan. Wider Erwarten antwortete Haru aber völlig normal:
    »O neiiin! Macht dich das auch so fertig? Ich hasse Gewitter!«
    Sie zog die Augenbrauen zusammen. Immer wenn sie dieses Gesicht aufsetzte, wirkte sie erotisch und sah verloren aus. Ich war jedesmal aufs neue für einen kurzen Moment lang davon fasziniert.
    »Fumiii, Hilfeee!«
    Es hatte grell geblitzt, und direkt danach war ein krachender Donnerknall zu hören gewesen. Es war das erste Mal, daß sie so etwas zu mir sagte, deshalb sah ich schockiert zu ihr hinüber. Haru wandte sich mir zu und lächelte wie ein kleines Mädchen. Und da erkannte ich, daß auch sie begriffen hatte. Unsere Beziehung war zu Ende, und wir würden uns nie wiedersehen. Das alles wußte Haru.
    Ich sagte: »Es ist ganz nah!«
    Da schrie sie noch einmal: »O neiiin!« und trat vom Fenster zurück. Sie stellte sich hinter meinen Rücken und tat so, als wollte sie sich dort verstecken.
    Vermutlich machte sie das alles nur, weil sie sich verlassen fühlte, seit der Sturm aufgezogen war.
    »Stell dich nicht so an! Ich weiß doch genau, daß du keine Angst vor Gewitter hast!«
    Als ich mich empört zu ihr umdrehte, lachte sie:
    »Aber ehrlich gesagt, ich habe wirklich ein klitzekleines bißchen Angst!«
    Von ihrem Lachen angesteckt, mußte auch ich lächeln, worauf Haru mit verblüfftem Gesichtsausdruck sagte:
    »Hey, hatten wir da nicht gerade einen Draht zueinander? Ganz kurz?«
    »Ja, könnte sein.«
    Ich nickte.
    In dem Zimmer waren wir von der Außenwelt abgeschnitten. Aus der Ferne drang immer wieder grollender Donner zu uns herüber. Die Atmosphäre in dem Raum war so dicht, daß man hätte meinen können, nur unser unterdrückter Atem würde die kleine Vollkommenheit stören. Noch funkelte sie hier still vor sich hin wie eine Kostbarkeit. Schon bald würde es vorbei sein damit. Sie würde erlöschen. Wir alle würden uns voneinander trennen. Das war die einzige Gewißheit, die ich hatte, und sie machte sich immer und immer wieder bemerkbar.
    »Ob es ihm gut geht?«
    Ein aufleuchtender Blitz ließ Harus Profil klein und hübsch erscheinen.
    »Weiß nicht.«
    Um diese Stimmung zu bewahren, hatte ich es bei Harus Bemerkung bewenden lassen wollen. Wir waren beide ganz still.
    »Ob er wohl einen Schirm bei sich hat?«
    »Der würde ihm bei dem Wetter auch nichts nützen. Da würde sowieso nur der Blitz einschlagen.«
    »Das würde zu ihm passen, so zu sterben.«
    »Hoffentlich kommt er bald zurück.«
    »Ja, hoffentlich.«
    Die Knie fest umschlungen, saßen wir nebeneinander an die Wand gelehnt und unterhielten uns. Das hatte es weder vorher je gegeben, noch hatte es sich später wiederholt. Nur dieses eine, einzige Mal habe ich mich in dieser Form mit Haru unterhalten. Unaufhörlich drängte sich das Rauschen des strömenden Regens zwischen unsere Gedanken. Es kam mir vor, als hätten wir uns hier in diesem Zimmer schon immer gut verstanden. Als hätten wir immer nur so getan, als würden wir uns nicht verstehen.
    »Hört sich an wie ein Sommergewitter, oder?«
    »Ja, so stark hat es schon lange nicht mehr geregnet.«
    »Wo wird er jetzt wohl sein?«
    »Irgendwo, ist mir egal. Hauptsache, er ist in Sicherheit.«
    »Mach dir keine Sorgen!«
    »Ja, schon gut.«
    Haru hatte ihr schmales Kinn auf die angezogenen Knie gelegt und anmutig, aber deutlich genickt.
    Es ist kurz vor
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