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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf
Autoren: Alison Gaylin
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Nelsons ruhiger Atem deutlich machte, dass er eingeschlafen war. Erst dann schlich sie sich weiter in sein Arbeitszimmer, setzte sich an den Computer, von dem Nelson dachte, dass sie nicht mal wüsste, wie er einzuschalten war, ging online, suchte ihren Chatroom und gab schnell ihr Passwort ein. Familien von Vermissten aus dem Staat New York nannte sich der Chatroom, und jetzt, zwei Monate nachdem sie ihn gefunden hatte, kamen ihr die Mitglieder wie ihre Familie, ihre einzige Familie vor.
    Heute Abend waren sie zu acht, und als Carol ihren Gruß eintippte, kam es ihr so vor, als hätten sie alle nur darauf gewartet, dass sie endlich kam. Willkommen , tippten sie, und Carol stellte sich vor, wie sie ihr einstimmig entgegenriefen: Willkommen, Lydia!
    Sie schlief vor dem Computer ein. Nur für vielleicht zehn Minuten, aber trotzdem machte dieser Zwischenfall ihr Angst. Was, wenn sie erst viel später wieder wach geworden wäre? Was, wenn die Sonne bereits aufgegangen und Nelson vom Klingeln seines Weckers wach geworden wäre und gemerkt hätte, dass seine Frau anders als sonst nicht an seiner Seite lag? Was, wenn er dann in den Flur gegangen wäre und gesehen hätte, dass seine Frau vor seinem Computer saß, dass sie vor der Kiste – die aus seiner Sicht ein Buch mit sieben Siegeln für sie war – eingeschlafen war, während auf dem Bildschirm noch der letzte Text der nächtlichen Unterhaltung stand?
    Kämpf weiter, Lydia. Wir sind für dich da.
    Lydia, ich kenne niemanden, der so stark ist wie du.
    Lydia, ich habe meine Tochter nach zwölf Jahren gefunden. Auch du kannst deine Tochter finden. Gib nicht auf.
    Wie in aller Welt hätte sie ihm das erklärt?
    Carol erschauderte. Sie sagte ihren Freunden eilig gute Nacht, klinkte sich aus dem Chatroom aus und stand, bevor ihr noch einmal die Augen zufielen, entschlossen auf.
    AlbanyMarie hatte den Namen einer auf die Suche nach Vermissten spezialisierten Privatdetektivin erwähnt – Brenna Spector aus New York. Angeblich war Maries Mann fünf Jahre zuvor bei einem Flugzeugabsturz umgekommen, aber Brenna Spector hatte ihn gefunden. Ausgerechnet in Vegas , hatte Marie getippt. Wenn alles nach Plan verläuft, sehe ich ihn in ein paar Tagen!
    Ohne nachzudenken, hatte Carol eingegeben: Bist du glücklich, weil sie ihn gefunden hat?
    LIM att61 hatte zurückgefragt: Wärst du etwa nicht glücklich, wenn dein Mann lebend gefunden würde, Lydia? , und Carol hatte eine ganze Minute dagesessen und dann einfach festgestellt:
    Brenna Spector. Ich glaube, den Namen habe ich schon mal irgendwo gehört.
    Sie war zusammengezuckt. Ob das vielleicht seltsam geklungen hatte? Kalt? Tja, nun. Zurücknehmen ließen sich die Worte nicht. Sie fuhr Nelsons Computer herunter, löschte das Licht in seinem Arbeitszimmer, ging ins Bad, cremte sich ein, und plötzlich wurde ihr bewusst, dass ihr der Name Brenna Spector wirklich schon mal irgendwo begegnet war. Sie hatte keine Ahnung, wo, wusste aber ganz genau, sie hatte ihn schon mal gehört.
    Mitten in der Nacht fiel es ihr wieder ein. Sie schreckte hoch aus einem Traum, in dem sie einen winzigen, verstörten Welpen über einen Computerbildschirm jagte, wobei sie hektisch zwischen Reihen getippter Worte hin und her rannte.
    Brenna Spector. Sie kannte diesen Namen aus einem der Bücher ihres Clubs, in dem es um Kinder mit besonderen mentalen Fähigkeiten gegangen war. Der Verfasser, ein Psychiater (Lieberman? Leopold?), hatte über Fallstudien aus den Siebzigern und Achtzigern geschrieben, darunter über ein Mädchen im Teenageralter, dessen Name Brenna Spector gewesen war. Könnte das dieselbe Brenna Spector sein?
    Carol hörte ein leises Schrillen, und ihr wurde bewusst, dass sie nicht von der Erinnerung an diesen Namen, sondern vom Klingeln des Telefons auf ihrem Nachttisch aus dem Schlaf gerissen worden war.
    Sie sah auf ihren Wecker. Kurz nach drei.
    Ihr stockte der Atem. Als sie nach dem Hörer griff, schlief Nelson weiter tief und fest, und ihr fiel der Kontrast zwischen den ruhigen, leichten Atemzügen ihres Mannes und dem wilden Klopfen ihres eigenen Herzens überdeutlich auf. »Hallo?«
    Sie hörte nichts, nur leichtes Rauschen. Offenbar rief irgendwer von einem Handy an. »Hallo? Ist da jemand?«
    Die Antwort war kaum mehr als ein stimmloser Atemstoß. Irgendwas mit einem »l«. Ob hallo, Hölle oder Hilfe, war nicht zu
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