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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf
Autoren: Alison Gaylin
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genommen und in einer Reihe vor mir auf den Tisch gestellt«, sagte der Psychiater jetzt. »Kannst du dich noch an die Reihenfolge erinnern?«
    Â»Wie geht es Ihrer Hündin?«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Ihrer Hündin Shelly. Sie hatte Pythiose. Ihre Frau Gwen sagte, der Tierarzt hätte ihr Natamycin verschrieben.«
    Dr. Lieberman starrt sie mit großen Augen an. Seine Lippen bilden einen schmalen Strich, und Brenna kann sehen, dass sich sein Adamsapfel unter dem Kragen seines blau-gelb gestreiften Hemds bewegt. Dass er langsam rauf- und langsam wieder runtergeht. Er nimmt einen der Rekorder zusammen mit einer Kassette, an der ein mit 13. MÄRZ 1982 beschriftetes Klebeband befestigt ist, aus der obersten Schublade des Schreibtischs, legt die Kassette ein, drückt auf den Abspielknopf, und Brenna hört ihre Stimme – mit genau denselben Atempausen und Kadenzen wie zuvor in ihrem Kopf. »Also gut, Brenna, ich stelle jetzt ein paar Klötze auf den Tisch –« Dann klingelt ein Telefon. »Tut mir leid, Brenna. Nur einen Augenblick. Hallo? Gwen? Ich habe gerade eine Patien… Oh, wie geht es Shelly? Was? Das ist Pythiose, nicht Pathose, Gwen … ja, ich kenne diese Krankheit … Nein, nein, nein. Natamycin kann man einem Hund problemlos geben –«
    Er schaltet den Rekorder wieder aus. »Erstaunlich«, flüstert
er.
    Brenna sieht ihn fragend an. »Darf ich völlig ehrlich zu Ihnen sein? Es geht um Ihren Schlips.«
    Brenna Spector nahm ein leichtes Zittern dicht an ihrem Oberschenkel wahr, brauchte aber einige Sekunden, bis sie merkte, dass die Vibration von ihrem Handy kam. Dies war nicht der 29. Juni 1985, und sie war auch nicht in der Praxis des Psychiaters in der 57. Straße in New York, sondern es war der 29. September 2009, und … Gott, sie war am Arbeiten.
    Sie befand sich in Las Vegas, in einem nicht unbedingt zentral gelegenen Casino namens Neros Spielplatz , das eine Beleidigung für das eher jämmerlich kopierte, weltbekannte Caesar’s Palace war.
    In dem Laden roch es einzig deshalb etwas besser als auf den Toiletten großer Sportarenen wie dem Nassau Coliseum , weil dort weniger Gedränge war. Er war gleichzeitig auch ein Hotel, was Brenna als etwas beängstigend empfand. Genau wie den Namen der Bar, in der sie gerade stand. Sie hieß Orgi . Ohne e. Weshalb der Name sogar irgendwie noch schlimmer war.
    Ein ausgiebiges Bad in flüssigem Stickstoff täte diesem ganzen Ding wahrscheinlich mehr als gut.
    Brenna lehnte an einer korinthischen Säule aus Pappmaché, die passend zu den ultrakurzen Togen und den Gladiatorensandalen der Serviererinnen goldfarben gestrichen war. Sie hielt das weltgrößte Glas mit billigem Weißwein – die Bedienung hatte es erschaudernd »Kaiserkelch« genannt – in einer Hand, während sie ihrem Vermissten direkt gegenüberstand. Larry Shelby alias John Thomson alias Rod Clement alias Julio Vargas (was wahrscheinlich nur ein Teil der bisher von ihm benutzten Namen war). Da Larry angeblich fünf Jahre zuvor beim Absturz einer einmotorigen Maschine in den Berkshires umgekommen war, hatten Brenna und ihr Assistent ihn bisher immer als den Toten tituliert, was angesichts der unzähligen Leben, die er in der Zwischenzeit geführt zu haben schien, ausnehmend ironisch war.
    Â»Na, Interesse, Süße?«, fragte er sie jetzt.
    Â»Ich … bekomme gerade einen Anruf.«
    Â»Morgens um halb sechs?«
    Brenna zuckte mit den Schultern. »Bei mir zu Hause ist es jetzt halb neun.« Sie zog ihr vibrierendes Handy aus der Tasche und warf einen Blick auf das Display. Es war Trent, ihr Assistent. Doch der konnte warten. »Telefonwerbung«, erklärte sie. »Sobald diese Kerle einmal eine Nummer haben, sind sie wirklich gnadenlos.«
    Â»Mich haben sie bisher noch nicht entdeckt.«
    Warum überrascht mich das wohl nicht? »Da hast du echt Glück.«
    Â»Du hast ein wirklich süßes Lächeln. Hat dir das schon mal jemand gesagt?«
    Â»Danke.« Für gewöhnlich unterhielt sich Brenna nicht mit den Personen, die sie suchte – und am allerbesten war es, wenn sie sie noch nicht mal sahen. Doch jetzt stand sie plötzlich hier und trank mit einem solchen Menschen in der Morgendämmerung in einer Bar, die Orgi hieß. Doch ihr Job war von Natur aus unberechenbar, und in einer Situation wie dieser verhielt sie sich am
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