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Dornroeschenmord

Dornroeschenmord

Titel: Dornroeschenmord
Autoren: Anna Kalman
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kümmern. Hier ist noch eine neue Packung Staubsaugerbeutel mit einem lieben Gruß an Mutter.«
    Edward bemühte sich vergeblich um einen verächtlichen Blick und verschwand grußlos aus der Tür. Mandy konnte sich ein schadenfrohes Lächeln nicht verkneifen. Der Gedanke, daß Edward Graf von Habeisberg seinen Staubsauger per Bus quer durch die ganze Stadt transportieren mußte, hatte für sie durchaus Unterhaltungswert.
     
    »Und Edward ist tatsächlich noch mal vorbeigekommen, um sich seinen Staubsauger abzuholen?« Dorothee betrachtete Mandy, die ihr gegenüber mit angezogenen Beinen in einem bequemen Ohrensessel saß, mit einem süffisanten Grinsen.
    »Genau.« Viel mehr konnte Mandy nicht sagen, denn gerade zerging ihr der Roche Bleu auf der Zunge, dessen würziger Geschmack durch das samtige Bukett des Rotweins unterstützt wurde.
    In der Zwischenzeit hatte sie Dorothee die ganze Geschichte erzählt. Ihre Freundin hatte sich vor Lachen gebogen, als Mandy ihr schilderte, wie Edward mit mürrischem Gesicht und seinem Staubsauger unterm Arm davongeschlichen war.
    »Bist du sicher, daß er extra wegen seines ollen Staubsaugers quer durch die Stadt gereist ist? Oder war es nicht doch nur ein Vorwand? Vielleicht hängt er ja mehr an dir, als du glaubst?«
    »Nein, nein, er hängt mehr an Mutter. Und die wollte ihren erstklassigen Milbenkiller eben zurück. Und Edward gehorcht Mutter in jedem Fall.«
    »Sag mal, was ist eigentlich mit dieser Mutter los? Jedesmal wenn du von ihr sprichst, bekommt deine Stimme so einen seltsamen Unterton.« Die Psychologin in Dorothee war erwacht.
    »Not at all«, sagte Mandy sehr akzentuiert. »Ich spreche von Mutter immer nur mit dem allergrößten Respekt. Weißt du, Mutter ist eben ›very british‹ und eine Tochter der sogenannten ›Upper class‹.«
    »Aber ist das ein Grund, so aggressiv auf sie zu reagieren?« fragte Dorothee mit ihrer schönsten Arztstimme, durch die Mandy sich immer auf die lederbezogene Couch in ihrem Sprechzimmer versetzt fühlte.
    »Diese Frau ist die totale Übermutter.« Sie merkte selbst, wie gereizt ihre Stimme klang. »Sie war allgegenwärtig. Ständig hat Edward gesagt: Mutter meint dies, Mutter tut das, Mutter hat das immer anders gemacht … Und dann ihr extremer Reinlichkeitstick. Kannst du dir vorstellen, daß Edward als Kind in der Kirche nicht in den Weihwasserkessel fassen durfte? Wegen der Bakterien anderer Leute? Sie hat ihn total verweichlicht erzogen. Mich wundert nur, daß er nicht schwul geworden ist.«
    Dorothee lachte. »Wieso? War ›Sissi‹ denn Pflichtprogramm für ihn?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber mit ihrem Putzfimmel und ihrem Ordnungstick hat sie mich extrem genervt. Ständig wollte sie mir ihre Reinmachefrau schicken, die hier alles gründlich säubern sollte. Ich betone ›säubern‹ – das ist eines ihrer Lieblingsworte. Manchmal kam ich mir schon vor, als würden wir hier im Saustall hausen, und ganz so schlimm ist es doch nicht, oder?« Mandy sah sich in ihrer gemütlichen Wohnung um.
    »Natürlich nicht«, beschwichtigte Dorothee sie und übersah dabei geflissentlich die angeschimmelte Zitrone in der Obstschale. »Und Edward und Mutter sollten jetzt auch nicht mehr dein Problem sein.«
    »Stimmt.« Mandy blickte düster vor sich hin. »Aber ich schwöre dir, ich hätte ihr keinen größeren Gefallen tun können, als ihn hier rauszuwerfen. Jetzt gehört er endlich wieder ihr …«

4
    Nicht weinen mehr.
    Nun kommt der Sohn ins Haus
     zurück zu dir.
    RAINER MARIA RILKE
     
    Edward empfand das Schweigen am Tisch als so erdrückend wie die Schwüle einer Gewitternacht. Mit trockenem Mund biß er in ein Stück Baguette, und das Krachen der Rinde durchbrach auf unangenehme Weise die lähmende Stille.
    Gwendolyn saß ihm mit gesenktem Kopf gegenüber und schien mit ihren Salatblättern beschäftigt zu sein. Er wußte, daß ihr Schweigen Taktik war. Sie hatte seinen Einzug kommentarlos akzeptiert, aber er war sicher, daß sie innerlich triumphiert hatte.
    Er seufzte, und nur das Klappern des Bestecks verliehen der Szenerie ein vages Gefühl von Leben. Fast empfand er so etwas wie Dankbarkeit für die langjährige Haushälterin Frau Hindenberger, die sich rücksichtsvoll nach seinen Wünschen erkundigt und damit zumindest einen Hauch von Wärme verbreitet hatte.
    »Iß doch noch etwas, mein Junge.« Gwendolyn gab ihr Schweigen für einen Moment auf und zeigte sich plötzlich als besorgte Mutter. »Ich habe zum Nachtisch
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