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Dornenliebe

Titel: Dornenliebe
Autoren: Christine Feher
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wenig zur Seite, ein leicht angestaubter
gemusterter Store, den ihre Mutter beim nächsten Besuch durch einen neuen ersetzen will. Dort draußen hatte Falk gehalten, jetzt sind die Autos, die dort gestern gestanden haben, alle fort. Irgendjemand hupt vor einer zugestellten Ausfahrt, Lastwagen rattern vorbei, ein paar Fußgänger hasten ihren Erledigungen nach, von Fern dringt das gleichmäßige Rauschen der Stadtautobahn an ihr Ohr. Ein Radfahrer prescht mit verzerrtem Gesicht durch eine bunt schillernde Pfütze, dreckiges Regenwasser spritzt gegen einen grauen Stromkasten. An dem einzigen Baum, den Luna von ihrem Fenster aus sehen kann, hebt ein Terrier sein Bein. Schön ist die Gegend nicht, denkt sie. Aber dafür billig. Zu Hause in Remscheid hat sie am Stadtrand gewohnt; wenn sie morgens aus ihrem Fenster geschaut hat, saß manchmal eine Amsel auf ihrem Fenstersims und äugte, den Kopf schief legend, zu ihr ins Zimmer, ehe sie ihre Flügel ausbreitete und flatternd einen der Bäume ansteuerte, die den Garten umsäumten. Oft hat Luna gestaunt, auf welch dünnen Zweigen ganz oben in der Krone sich der Vogel niederlassen konnte, ohne zu schwanken und ohne dass sich das dünne Holz unter ihm bog. Seit Thore tot war, hatte sie nicht mehr darauf geachtet, ob die Amsel kam.
    Sarah wiederholt ihre Frage.
    »Er hat versprochen, sich zu melden«, weicht Luna aus. Sie hört, wie Sarah am anderen Ende die Luft einzieht. »Glaubst du, dass er das macht?«
    »Ich glaube nicht, dass Falk so was einfach nur sagt, ohne es auch zu meinen. Oh Luna - wenn das klappt! Wenn das was wird mit euch beiden! Ich fasse es einfach nicht. Falk spricht nie eine Frau an, nie! Irgendetwas muss er an dir ganz besonders finden.«
    Luna grinst vor sich hin und lässt die Gardine wieder in ihre alte Position zurück fallen.

    »Tja«, meint sie nur. Dann fragt sie Sarah etwas wegen der Uni, um abzulenken. Ob sie sich am ersten Semestertag treffen können, am besten schon an der U-Bahn. Was man mitbringen müsse. Sarah lässt sich drauf ein. Während sie redet, findet Luna ein Röhrchen mit Kopfschmerztabletten in ihren Badezimmerutensilien, Paracetamol zum Auflösen in Wasser. Sie verabschiedet sich von Sarah, nimmt ihre Tablette und legt sich noch einmal aufs Bett. Eine halbe Stunde kann sie sich gönnen, bevor sie endgültig die Kisten auspackt und entsorgt. Bis Falk kommt, dauert es noch mehr als acht Stunden.
    Wenn er kommt.
    Luna schließt die Augen, und sofort ist es wieder da, dieses rauschhafte Gefühl, das sich an seiner Seite in ihr ausgebreitet hatte. So aufregend und neu, und gleichzeitig so selbstverständlich, so vertraut. Sein dunkles Haar, seine warme Stimme, die Augen. Vor allem aber seine Umarmung, so sicher und fest, sie hat sich geborgen gefühlt und gleichzeitig gemeint, fliegen zu können. Er soll wiederkommen, er muss, sie weiß nicht, wie sie sonst weitermachen soll in dieser fremden Stadt. Sie kennt ihn noch kaum und doch … Das Gefühl von gestern Abend ist wieder da, Falk, denkt sie immer wieder und lächelt unter geschlossenen Augen vor sich hin; Falk. Ein aufregender, abenteuerlicher Name, älter und reifer, als er aussieht. Und wie besitzergreifend er war, eifersüchtig auf das Lächeln eines anderen, den es doch gar nicht gegeben hatte. Falk wollte Luna ganz für sich. Wollte für sie da sein, und im Gegenzug verlangte er - zu Recht - das Gleiche auch von ihr. Heute Abend werden sie ganz für sich sein, in einem kleinen, verschwiegenen Restaurant vielleicht, nur er und sie, keine laute Party mit lärmenden, angetrunkenen Leuten. Sie werden weiter miteinander reden, sich näherkommen, Luna spürt, wie die kribbelnde Wärme
in ihren Körper zurückkehrt, die sie gestern Abend gespürt hat, in seinem Auto, in seinen Armen. Es war, wie noch einmal geboren zu werden, ein ganz neues, anderes Leben zu beginnen. Jemand zu sein, einem anderen Menschen etwas zu bedeuten, mehr für ihn zu sein als nur die übrig gebliebene Schwester des verunglückten geliebten Sohnes, es ist gut, dass sie noch da ist, endlich zählt es nicht mehr, dass sie vielleicht hätte den Bruder abhalten können von dem Irrsinn, den er getan hat. Luna war zwar die Jüngere, aber Mädchen sind oft weiter, vorausschauender, sie hätte Thore bitten können, lieber nicht zu springen, sie wusste ja, wie draufgängerisch er manchmal war.
    Für Falk zählt das alles nicht. Sie hat es ihm erzählt, hat nichts ausgelassen, aber er hat ihr nichts vorgeworfen, nicht
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