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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition)
Autoren: Thilo Corzilius
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ein paar bedeutende Kaufmannsgeschlechter und verdiente Ritter des Reiches. Eben jeden, den man irgendwie kennen könnte. Selbst, wenn man in so verlotterten Käffern am Ende der Welt wohnt wie wir.«
    Wieder grinste Bermert sein Lächeln mit halber Zahnstärke.
    Hinck starrte ungläubig auf die kleinen Bildchen. Es waren Hunderte! Seine Mission schien mit einem Mal ziemlich aussichtslos zu sein. Wie sollte er hier überhaupt irgendjemanden finden?
    Aber Bermert gab Hilfestellung. Und wie!
    »Dann frag ich einmal, Junge«, begann er. »Auf welches Alter schätzt du denn euren geheimnisvollen Gast?«
    Hinck überlegte kurz.
    »Etwa dreißig Sommer«, sagte er schließlich. »Vielleicht etwas älter.«
    »Haarfarbe?«
    »Sattes Kastanienbraun, stark gelockt«, meinte Hinck.
    »Hm …«
    Hinck betrachtete die Bildchen. Die wenigsten waren farbig und mit Öl gemalt. Vielfach hingen dort nur Wachszeichungen, Radierungen oder ähnliches. Woher um alles in der Welt, wollte Bermert also die Haarfarbe kennen?
    »Also, beginnen wir mit der unwahrscheinlichsten Lösung. Der hier müsste mittlerweile etwa so um die zweiunddreißig oder dreiunddreißig Sommer alt sein.«
    Bermert deutete auf einen Adeligen ziemlich weit am linken Rand seiner Sammlung. Und Hinck blieb beinahe das Herz stehen.
    Das Bild war aus Öl und zeigte einen Jungen, der etwa so alt war wie er selbst. Aber das Gesicht war unverkennbar. Die Narbe, die sich über Augenbraue und Wange zog, hatte der Junge noch nicht. Aber die Gesichtszüge sowie das unbändige Haar, waren ziemlich markant.
    Hinck riss sich zusammen. Der Alte durfte nichts merken. Bei den Göttern! Denn selbst jetzt, wo sein Plan zur Hälfte aufgegangen war, durfte außer Hinck niemand wissen, wer bei ihnen zu Gast war. Die andere Hälfte seines Plans wäre nämlich sonst zunichte. Also zeigte Hinck sich ebenso interessiert an den drei oder vier weiteren Möglichkeiten, die Bermert ihm im Laufe des Nachmittags anbot. Zu jedem hatte er einiges an Geschichten zu erzählen. Ob sie stimmten, wusste Hinck nicht.
    Er leistete Bermert bis in die frühen Abendstunden Gesellschaft. Dann zog er mit gespieltem Enttäuschen von dannen. Die Arbeit im Gasthaus wartete und außerdem hatte er ja immer noch die Stunde Fußmarsch vor sich.
    Innerlich aber lächelte er. Hatte er doch dem Alten einen Gefallen getan, da dieser endlich einmal wieder jemandem seine Geschichten erzählen konnte. Und das Beste war, dass er nun wusste, wer sie als Gast beehrte und seinen Namen nicht verraten wollte. Hinck konnte es ihm nicht einmal verdenken. Wäre sein Name im Ort bekannt, so hätten die ruhigen Stunden des Wartens für den Mann sicherlich der Vergangenheit angehört.
    Tags darauf suchte er den Gast auf. Tja, sollte doch ruhig noch mal jemand sagen, Hinck sei auf den Kopf gefallen!
    Der Fremde (oder eben der Nicht-mehr-ganz-so-Fremde) saß am Ende des kurzen Stegs und ließ die gestiefelten Beine herunterbaumeln. Das gleißende Herbstlicht ließ den Großen Golf glitzern und über ihnen schrien die Möwen, während der Gast wieder einfach nur hinaus aufs Meer blickte.
    »Was gibt es denn?«, fragte der, als Hinck noch einige Schritte entfernt war. Der Wirtsjunge fühlte sich ertappt, ging aber unbeirrt weiter und setzte sich neben den Fremden an die Kante des Stegs.
    Er erntete einen skeptischen Blick.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir nicht erzählen werde, worauf ich warte.«
    Hinck begann zu grinsen. Es mochte ein wenig unverschämt wirken. Aber das war nicht so wichtig.
    »Ich wäre ja dafür, dass du es mir doch erzählst, Herr«, meinte Hinck beinahe beiläufig, wie er fand, während er ebenfalls auf das Meer hinausblickte. »Andernfalls muss ich wohl jedem hier erzählen, wer du wirklich bist. Und dann ist es um deine Ruhe des Wartens geschehen.«
    »So?«, fragte der Gast. Es klang weit weniger aufgeregt, als Hinck es sich insgeheim erhofft hatte. Es ärgerte ihn ein Stück weit, kannte er doch das Geheimnis des Mannes. »Und wer glaubst du, bin ich?«
    Hinck spielte seinen Trumpf aus.
    »Markgraf Deckard von Falkenberg.«
    Es war für einige Augenblicke still zwischen ihnen. Wieder waren nur die Brandung und das Gekreische der Möwen zu hören.
    Schließlich sagte der Fremde behutsam: »Das ist richtig.«
    Hinck war etwas verblüfft. Mit dieser Offenheit hatte er nicht gerechnet. Er hatte vermutet, der Markgraf würde es zunächst leugnen.
    »Aber sag mir, Hinck«, fuhr der Adelige fort, »warum
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