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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition)
Autoren: Thilo Corzilius
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solltest du Unfrieden stiften wollen? Ist es so dringend, dass du erfahren willst, warum ich hier bin und worauf ich hier warte?«
    Der Wirtsjunge seufzte ergeben und schnippte einen Span ins Wasser, den er mit den Fingernägeln aus dem Steg gepult hatte.
    »Weißt du, Herr, es ist so unfassbar langweilig hier im Ort. Das Leben spielt sich da draußen ab.«
    Er wandte sich um und deutete ins Landesinnere. »Das Eherne Reich«, schwärmte er wie von einem schmackhaften Kuchen. »Dort spielen sich Kriege und Abenteuer ab. Dort gibt es Ritter und Elben. Alleine die große Krise, wie sie hier alle nennen. Die hat sich im selben Land abgespielt, in dem ich lebe. Gar nicht mal so weit entfernt. Aber bis auf den einen oder anderen abgehetzten Söldner, der hier nächtigte, haben wir nichts davon mitbekommen. Gar nichts.«
    Deckard von Falkenberg überlegte kurz.
    »Weißt du«, meinte er zu dem Wirtsjungen, »dass ihr damit eine Menge Glück hattet?«
    Hinck sah ihn an. Der Ausdruck in seinem Blick musste nahe an Entsetzen herangekommen sein. Natürlich konnte so etwas nur ein Fürst und Regent sagen! Wenn er die Geschichten der jüngsten Zeit, die an den Tischen im Gasthaus erzählt wurden, richtig verstand … dann hatte ausgerechnet Deckard von Falkenberg genug Abenteuer für zehn Menschenleben erlebt. Kein Wunder, dass er die Nase voll hatte. Aber Hinck hatte eben auch die Nase voll vom Dasein eines Wirtsjungen. Auf seinem Weg lauerten keine Riesen und keine Elben, keine Drachen und Jungfrauen, keine Ritter und kein ruhmreicher Krieg. Auf seinem Weg gab es nur das Gasthaus, das er eines Tages übernehmen würde, um sich weiterhin nur die Geschichten der Durchreisenden anzuhören.
    Deckard sah ihm tief in die Augen. Hinck schluckte. Da war schon wieder dieser Blick. Wie tiefgründig er war, wie eigenartig. Alt, viel zu alt für das Gesicht des Mannes.
    Doch er sprach eine eindeutige Sprache: Ich weiß, worum es dir geht, Wirtsjunge Hinck .
    Hinck wandte sich ab, bevor ihm die Tränen in die Augen schossen. Natürlich konnte er dem Graf Ärger machen. Aber was sollte das bringen?
    »Ich habe einen Vorschlag«, sagte Deckard von Falkenberg auf einmal.
    Hinck sah wieder hin, mit großen Augen.
    »Die Geschichte, die mich hierher führt, ist ziemlich lang«, fuhr der Markgraf fort. »Und das, worauf es sich hier für mich zu warten lohnt, wird frühestens in einigen Tagen geschehen … wenn es denn überhaupt passiert.«
    Hinck meinte für die Zeit eines Wimpernschlags einen Anflug von Wehmut in den grünen Augen des Gastes zu entdecken. Aber bevor er näher hinsehen konnte, war sie auch schon wieder fort.
    »Ich werde dir einfach erzählen, was in den letzten Monaten geschehen ist. Warum ich hier bin. Und warum ich auf das, was du Abenteuer nennst, in Zukunft gerne verzichten kann.«
    Hincks Augen leuchteten.
    »Es wird eine Weile dauern«, meinte Deckard weiter. »Und du hast sicherlich genug zu arbeiten, sodass ich trotzdem von Zeit zu Zeit meine Ruhe haben kann, oder?«
    Hinck nickte. Nein, zur Last fallen wollte er dem Herrn von Falkenberg nicht. Nicht, nachdem er ihm dieses großzügige Angebot gemacht hatte.
    »Und noch etwas«, sagte der junge Markgraf.
    Der Wirtsjunge spitzte die Ohren.
    »Wenn geschehen sollte, worauf ich warte, bevor ich fertig erzählt habe … dann belassen wir es dabei.«
    Wieder nickte Hinck eifrig – und hoffte inständig, dass sich jenes Ereignis bitte noch einige Tage gedulden möge.
    Stille legte sich zwischen sie. Nur das Kreischen der Möwen und das Rauschen der Brandung war zu hören.
    »Also?«, fragte Hinck schließlich vorsichtig nach.
    Deckard lachte auf.
    »Hast du denn nichts zu tun?«
    »Es ist Vormittag«, wand Hinck ein. »Ich habe das Vieh versorgt und die Betten gemacht. Die Wirtsstube ist gewischt und –«
    »Ist schon gut«, fiel Deckard lachend dazwischen. »Ist schon gut. Ich fange ja schon an. Lass mich nur kurz überlegen, wo ich beginnen soll.«
    Er dachte eine Weile nach. Viel zu lange für den ungeduldigen Hinck. Aber er ließ ihn, aus Angst, der Herr von Falkenberg könnte sich im allerletzten Moment doch noch anders entscheiden.
    »Ich glaube«, hob Deckard an, »ich fange bei den drei Besuchen an.«
    »Die drei Besuche?«
    Deckard nickte und holte zu einer großen Erzählung aus: »Denn wenn ich recht überlege, haben die Ereignisse der letzten Monate für mich genau damit begonnen. Drei unerwartete Besuche …«



Kapitel 1
    Drei unerwartete Besuche
    Das
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