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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition)
Autoren: Rocko Schamoni
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Freude hinter der Ecke in seinen Winkel verschwand, drängten wir uns ganz besonders diebisch vor dem Plattenregal, bis schließlich einer von uns zu den Gucklöchern hinsprang und hineinbrüllte. Beim ersten Mal kippte Stichling um, man konnte es gut hören, und wir grölten vor Vergnügen. Wir wussten, dass er nichts machen konnte, weil sein Versteck ja geheim war und er sich nie die Blöße geben würde, vor unseren Augen herauszuhumpeln. Erst wenn er sich gedemütigt verdrückt hatte, sahnten wir ab. Alle unsere Platten waren geklaut. Jeder von uns hatte bestimmt sieben oder acht Stück, da ging was, rocktechnisch.
    Mit dem Hardrock lichtete sich der Nebel über dem Ozean, und der Kontinent der Erwachsenen wurde am Horizont sichtbar.

Äquatortaufe im Ozean des Alkohols
    Mein erstes Besäufnis hatte ich, glaube ich, mit zwölf.
    Jedes Jahr gab es in Schmalenstedt und den umliegenden Dörfern die Konfirmation. Nachdem man monatelang zum Konfirmandenunterricht gelatscht war, um Gebete zu lernen und über Gerechtigkeit zu debattieren, wurde man konfirmiert. Dieser Unterricht wurde gelangweilt abgerissen, ging es doch in Wahrheit nur um eins: Konfirmationsfeier, und die bedeutete Bares! Im ganzen Dorf hielten die Konfirmationsfamilien Feiern ab, bei denen sich die zu konfirmierenden Jugendlichen (oder Jungs) im Alter von etwa vierzehn Jahren das erste Mal offiziell besaufen durften. Was die Mädchen machten, weiß ich nicht mehr. Ich glaube, sie bekamen Bestecke und Geschirr für die Aussteuer.
    Halbwegs betrunken zog man später im Tross durchs Dorf und klopfte an alle Türen, um Alkohol und Geld zu erbitten. Meistens gab es einen Korn und zwanzig Mark, manchmal auch mehr. Da kam bei einigen echt was zusammen. Die aus den angeseheneren Familien konnten mit bis zu 2000 Mark rechnen.
    Ich ging bei der Konfirmation der Älteren mit. Checker, Jockel und ein paar andere waren die Glücklichen. Meine Eltern ahnten nichts von meinem Saufzug, ich auch nicht. Ich trank mit und kam mir großartig vor. Als wir schließlich bei Jockel zu Hause zum Feiern einkehrten, war es bereits sieben Uhr abends. Die Großen bemerkten meine Ahnungslosigkeit und schenkten mir richtig ein. Man gab mir Cola Rum und legte damit mein Schicksal fest, denn noch heute halte ich treu und ergeben zu diesem besten aller Getränke. Nach der vierten Fifty-fifty-Mischung war ich fertig. Ich sah das erste Mal in meinem Leben doppelt und taumelte nach Hause. Auch diese wunderbaren Doppelbilder werde ich nie vergessen, ich war sehr stolz damals. So musste das Erwachsensein sein: Stereo.
    Viel zu spät kam ich zu Hause an und klingelte lallend, da ich die Tür ohne fremde Hilfe nicht mehr aufkriegte. Meine Mutter musterte mich ungläubig, und angesichts meiner torkelnden Schritte brach sie in erregtes Geschrei aus. Ich wurde sofort ins Bett gesteckt. Mir doch egal. Am Morgen wachte ich an Laken und Kopfkissen festgeklebt auf, weil die Kotze, die ich im Schlaf in mein Bett portioniert hatte, mittlerweile an meinem Gesicht und Körper festgetrocknet war. Ich war unglaublich stolz. Jetzt gehörte ich dazu.

Celine, Prinzessin der Liebe
    Wir wohnten direkt neben einer Pferdekoppel, und die Dorfmädchen kamen jeden Tag hierher, um zu reiten. Unser Nachbar Herr Dreier vermietete die Pferde und Ponys halbstündig. Striegeln, füttern, Stall putzen, Scheiße wegmachen und alle anderen Arbeiten waren umsonst.
    Uns Jungs imponierte er damit, dass er mit der rechten Hand Regenrohre wie Pappbecher zerdrücken konnte. Er hatte sich mit der Kreissäge seinen Daumen abgeschnitten und seitdem durch den verkürzten Winkel sozusagen Rohrzangenkraft in seiner Hand.
    Durch die Nähe der Pferdekoppel saß ich weibermäßig direkt an der Quelle, hier kamen sie alle hin. Die meisten waren mir allerdings zu jung oder zu bescheuert.
    Bis Celine auftauchte. Celine war Hamburgerin, sie wohnte mit ihren Eltern in einer Hamburger Wochenendsiedlung im Oberdorf und war das schärfste Ding in Jeans, das dieses Dorf je betreten hatte. Jedenfalls für uns in der Dreizehnjährigen-Szene.
    Achim und ich entdeckten sie zuerst. Sie war auf einmal da, hatte instinktiv den Weg zu den Pferden gefunden, obwohl sie niemanden im Dorf kannte.
    Da saß sie in Hot Pants auf dem braunen Ponyrücken, und wir waren sofort verliebt. Sie hatte eine blonde Außenwelle, und ihre Lipglosslippen waren sanft geschwungen, ich sehe sie noch heute vor meinen Augen. Es waren die ersten Lippen, die ich erotisch
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