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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition)
Autoren: Rocko Schamoni
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schäumten Verzweiflung und Wut, ich wusste, dass ich nicht kneifen konnte. Er sprang mich an. Wir prügelten uns ohne Fäuste, rissen an den Klamotten des anderen, wälzten uns am Boden, scheuerten uns auf, spuckten Sand. Ich weiß nicht mehr, wer gewonnen hat. Obwohl ich betonen möchte, dass ich damals schon sehr stark war. Deshalb vermute ich, dass ich gewonnen habe. Ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Ich war der Sieger.
    Erst nach diesem bestandenen Kampf gab es so etwas wie ein Bleiberecht für uns.

Respekt schaffen durch moderne Waffen
    Ich konnte meinen erkämpften Platz relativ gut behaupten, da ich ein großer Waffenliebhaber war. Ich besaß eine stattliche Anzahl an Messern, eine Machete, Pfeil und Bogen, eine selbst gebaute Armbrust, und mein Trumpf war ein Morgenstern, bestehend aus einem dicken Ast, einer Kette und einer Metallkugel am Ende. Als mein Bruder eines Tages nach Hause kam und mir erzählte, dass die Scharnbeck-Brüder ihn mit Pfeilen beschossen hätten, brauchte ich nur die Mitte der Dorfstraße herunterzugehen und den Morgenstern hinter mir lasziv auf dem Pflaster schlorren zu lassen. Die Situation war ohne Einsatz der Waffe sofort bereinigt, ich hatte waffenmäßig gepeakt. Fett.
    Während meine Eltern tagsüber arbeiteten und ihre gesamte Freizeit der Renovierung des Hauses widmeten, streunte ich mit den Jungs durch die Wälder und Kieskuhlen. Wir verbrachten einen großen Teil der Nachmittage damit, Krieg zu spielen, entweder Cowboy gegen Cowboy (Indianer waren verpönt, weil sie angeblich keine Feuerwaffen besaßen) oder richtigen Soldatenkrieg.
    Angeheizt wurde unsere Phantasie durch die Manöverübungen, die amerikanische Soldaten bei uns im Dorf und auf den umliegenden Feldern abhielten. Sie gruben sich dort tagelang ein und schossen auf Bekannte gleicher Nationalität mit andersfarbigen Armbinden.
    Sie waren genau wie wir drauf. Bloß schon erwachsen.
    Manchmal klaute ich meiner Mutter Geld, um Mars oder Raider einzukaufen und damit zu den Soldaten zu gehen. Sie lagen unter Tarnnetzen verdeckt, halb eingegraben bei Bauer Schopp unterm Knick, und spielten Krieg, aber wenn wir mit unserem Süßkram kamen, hörte der Krieg sofort auf. Im Gegenzug bekamen wir von ihnen Patronenhülsen und manchmal sogar ganze leer geschossene Patronengurte.
    Wer so einen Patronengurt besaß, der hatte es geschafft. Sie waren der Gipfel der Echtheit, rochen nach Krieg, sahen unglaublich martialisch aus. Wie in den Filmen, die wir heimlich sahen. Vor meiner Mutter musste ich all das sorgfältig verstecken. Sie verachtete meinen Hang zum Militarismus und zur Gewalt. Mit so einem Patronengurt, einem gefundenen Helm und den üblichen Spielzeugwaffen im Knick zu liegen und vorbeifahrende Autofahrer abzuknallen war etwas Wunderbares, Erfüllendes. Natürlich hätten wir so etwas nie wirklich gemacht, das ist ja wohl klar.
    Ich musste mir in meiner Jugend bestimmt acht Paar Chakus bauen, die ich aus Besenstielen bastelte, überzogen mit Metallabflussrohren und verbunden mit Ketten oder Seilstücken. Wenn ich diese Prachtstücke irgendwo nach meinen stundenlangen Bruce-Lee-Übungen (unter den Armen durch, über Kreuz über den Rücken, mit ausgestrecktem Arm wirbeln usw.) bei uns im Haus liegen ließ, waren sie am nächsten Morgen auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
    Meine Mutter leugnete jedes Mal diesen pazifistischen Diebstahl. Ich war sehr wütend, konnte ihr aber nichts nachweisen.
    Also entwickelte ich immer bessere Verstecke, vor allem, als meine Waffen langsam wertvoller wurden. Damit meine ich Wurfmesser, Luftpistolen und selbst gemischtes Schwarzpulver (ein Pfund Unkraut-Ex, ein Pfund Zucker und ein Teelöffel Schwefel – gut verrühren, fertig ist der Sprengstoff). Denn wenn ich unvorsichtig war, klaute meine Mutter alles, und ich musste mir wiederum Geld von ihr klauen, um nachzurüsten. Da biss sich bei uns die Katze in den Schwanz, es war ein Teufelskreis.
    Dieser Hang zur Gewalt sollte später übrigens zur idealen Grundausstattung für die Punkwerdung gehören.
    Als wir unsere ersten Luftfeuerwaffen besaßen, war unserer Brutalität keine Grenze mehr gesetzt. Wir zogen in kleinen Gruppen durch die Gegend und schossen auf alles, was nicht bewaffnet war. Also quasi auf alles. Bis auf Menschen.
    Es gab hinter dem Dorf einen kleinen versteckten Teich, an dem Checker, Dule, Achim und ich uns eines Sommernachmittags trafen. Checker war einer der coolsten Typen im Dorf, er war der Sohn des
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